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Anna Karenina

Anna Karenina

Titel: Anna Karenina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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sprachen.«
    »Jawohl, jawohl!« erwiderte Ljewin voller Angst.
    Und nun erzählte sie ihm, wovon sie gesprochen hatten. Während sie redete, konnte sie kaum atmen vor Erregung.
    Ljewin schwieg einen Augenblick; dann blickte er ihr in das blasse, angstvolle Gesicht und griff sich an den
    Kopf.
    »Katja, ich habe dir Qualen bereitet! Liebste, Beste, verzeih mir! Es war Wahnsinn von mir! Katja, ich allein
    bin der Schuldige. Wie habe ich mich nur um einer solchen Dummheit willen so quälen können!«
    »Ach, du tust mir so leid!«
    »Ich tue dir leid? Ich? Was habe ich Wahnsinniger getan? ... Wofür bin ich dir böse gewesen? Ein entsetzlicher
    Gedanke, daß jeder fremde Mensch unser Glück zerstören kann.«
    »Gewiß, das ist eben das Schmerzliche ...«
    »Aber nun will ich ihn ganz im Gegenteil absichtlich den ganzen Sommer über bei uns behalten und mich ihm
    gegenüber in Liebenswürdigkeiten überbieten«, sagte Ljewin und küßte Kittys Hände. »Das sollst du sehen. Morgen
    schon. Ja, richtig, morgen fahren wir ja auf die Jagd.«

8
    Am andern Tage frühmorgens – die Damen waren noch nicht aufgestanden – standen die für die Jagd bestimmten
    Gefährte, ein leichter Jagdwagen und ein Bauernwagen, vor der Haustür, und Laska, die schon lange vorher gemerkt
    hatte, daß es auf die Jagd gehen sollte, saß nun, nachdem sie lange gejault hatte und umhergesprungen war, auf dem
    Jagdwagen neben dem Kutscher und blickte aufgeregt und mit der Verzögerung unzufrieden nach der Tür, aus der die
    Jäger immer noch nicht herauskommen wollten. Der erste, der erschien, war Wasenka Weslowski in großen, neuen
    Stiefeln, die bis zur Hälfte seiner dicken Oberschenkel hinaufreichten, in einer grünen Bluse, über der er an einem
    Gurte eine neue, noch nach Leder riechende Patronentasche trug, seine Bändermütze auf dem Kopf und eine nagelneue
    englische Flinte ohne Riemenringe und ohne Tragriemen unter dem Arm. Laska sprang zu ihm, begrüßte ihn und fragte
    ihn umherspringend auf ihre Weise, ob die andern nicht auch bald kämen; aber da sie von ihm keine Antwort erhielt,
    so kehrte sie auf ihren Warteposten zurück und saß wieder regungslos, den Kopf zur Seite geneigt und das eine Ohr
    gespitzt. Endlich öffnete sich mit lautem Geräusch die Tür von neuem, und heraus flog, sich kreiselnd und in der
    Luft herumdrehend, Stepan Arkadjewitschs blaßgelb gescheckter Schweißhund Crack; dann folgte Stepan Arkadjewitsch
    selbst, die Flinte in der Hand und die Zigarre im Munde. »C'est bien, c'est bien 1 , Crack!« rief er dem Hunde freundlich zu, der ihm die Pfoten gegen den Leib und die
    Brust setzte und sich dabei mit ihnen in der Jagdtasche verfing. Stepan Arkadjewitsch trug Bauernschuhe aus einem
    einzigen Stück gebogenen Leders, ferner Fußlappen, fadenscheinige Hosen und einen kurzen Mantel. Auf dem Kopfe
    hatte er eine Ruine von einem Hute; aber seine Flinte, ein neues System, sah wie ein niedliches Spielzeug aus, und
    die Jagdtasche und die Patronentasche, obwohl schon etwas abgenutzt, waren von allerbester Art.
    Wasenka Weslowski hatte bisher von diesem echten Jägerstolz nichts gewußt: in Lumpen gekleidet zu sein, aber
    Jagdgeräte von bester Beschaffenheit zu führen. Aber jetzt ging ihm das Verständnis dafür auf, als er sah, wie aus
    dieser schäbigen Kleidung die elegante, wohlgenährte, heitere Herrengestalt Stepan Arkadjewitschs herausstrahlte,
    und er nahm sich vor, sich zur nächsten Jagd unfehlbar ebenso auszurüsten.
    »Nun, und wie ist's mit unserm Wirte?« fragte er.
    »Der hat eine junge Frau«, erwiderte Stepan Arkadjewitsch lächelnd.
    »Ja, und eine so reizende.«
    »Er war schon angekleidet. Gewiß ist er noch einmal zu ihr gelaufen.«
    Stepan Arkadjewitsch hatte richtig geraten. Ljewin war noch einmal schnell zu seiner Frau gegangen, um sie
    nochmals zu fragen, ob sie ihm seine gestrige Dummheit auch wirklich verziehen habe, und um sie zu bitten, doch um
    des Himmels willen recht vorsichtig zu sein. Namentlich sollte sie sich von den Kindern fernhalten; von denen sei
    immer zu befürchten, daß sie sie stießen. Auch mußte er sich noch einmal von ihr versichern lassen, daß sie ihm
    deswegen, weil er auf zwei Tage wegfahre, nicht böse sei, und mußte sie noch bitten, ihm unter allen Umständen
    morgen früh durch einen reitenden Boten ein Zettelchen zu schicken und ihm wenigstens zwei Worte zu schreiben, nur
    damit er wüßte, daß es ihr gut gehe.
    Für Kitty war es, wie immer, ein Schmerz,

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