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Anna Karenina

Anna Karenina

Titel: Anna Karenina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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schien das zu durchschauen. Sie fing an, lässiger zu
    suchen und blickte die Jäger wie verwundert und vorwurfsvoll an. Schuß folgte auf Schuß. Der Pulverdampf bildete um
    die Jäger herum eine Wolke; aber in dem großen, geräumigen Netze der Jagdtasche befanden sich nur drei leichte,
    kleine Bekassinen. Und von diesen hatte eine Weslowski geschossen, und eine war gemeinsame Beute. Unterdessen
    erschollen auf der andern Seite des Sumpfes von Stepan Arkadjewitsch zwar nicht allzu häufige, aber, wie es Ljewin
    vorkam, bedeutungsvolle Schüsse, und dazu ertönte fast nach jedem Schusse der Ruf: »Crack, Crack, apport!«
    Dadurch wurde Ljewin immer noch mehr aufgeregt. Die Bekassinen kreisten unaufhörlich in der Luft über dem Ried.
    Ihr Schmatzen am Boden und ihr Krächzen in der Höhe ließen sich, ohne einen Augenblick zu verstummen, von allen
    Seiten hören; die Bekassinen, die sich bei Beginn der Jagd erhoben hatten und dann in der Luft umhergeflogen waren,
    ließen sich wieder vor den Jägern nieder. Statt der zwei Habichte kreisten jetzt Dutzende kreischend über dem
    Sumpf.
    Nachdem Ljewin und Weslowski die größere Hälfte des Sumpfes durchwandert hatten, kamen sie zu der Stelle, wo
    sich die Wiese in langen Streifen bis an den Sumpf heranzog. Sie war auf Teilung an Bauern verpachtet und teils
    durch eingetretene Striche, teils durch ausgemähte schmale Bänder abgeteilt. Die Hälfte dieser Streifen war bereits
    gemäht.
    Obgleich wenig Hoffnung war, auf dem gemähten Gebiet so viel zu finden wie auf dem ungemähten, so hatte Ljewin
    doch Stepan Arkadjewitsch versprochen, mit ihm zusammenzutreffen, und ging daher mit seinem Genossen weiter durch
    die abgemähten und noch nicht abgemähten Streifen hindurch.
    »Heda, ihr Jäger!« rief ihnen einer der Bauern zu, die bei einem ausgespannten Leiterwagen saßen. »Kommt her und
    vespert mit uns! Trinkt mit uns ein Schnäpschen!«
    Ljewin blickte hin.
    »Kommt nur ruhig her!« rief ein vergnügter, bärtiger Bauer mit rotem Gesicht und zeigte lachend seine weißen
    Zähne; er hob eine grünliche, in der Sonne glitzernde Stoffflasche in die Höhe.
    »Qu'est ce qu'ils disent?« 1 fragte Weslowski.
    »Sie laden uns ein, mit ihnen Schnaps zu trinken. Wahrscheinlich haben sie eben die Wiesen unter sich geteilt.
    Ich hätte schon Lust, einen Schluck zu nehmen«, sagte Ljewin nicht ohne Hinterlist, da er hoffte, Weslowski werde
    sich durch den Schnaps verführen lassen und zu ihnen hingehen.
    »Warum wollen sie uns denn freihalten?«
    »So aus gutem Herzen; sie sind vergnügt. Im Ernst, gehen Sie doch zu ihnen. Sie werden auf Ihre Kosten
    kommen.«
    »Allons, c'est curieux.« 2
    »Gehen Sie nur, gehen Sie nur! Den Weg nach der Mühle werden Sie schon finden!« rief ihm Ljewin zu und sah, sich
    umblickend, mit Vergnügen, daß Weslowski, den Oberkörper vornübergebeugt, mit den müden Beinen stolpernd und die
    Flinte in der ausgestreckten Hand haltend, sich aus dem Sumpf zu den Bauern hin herausarbeitete.
    »Komm du doch auch!« rief der Bauer Ljewin zu. »Keine Bange! Sollst ein Stück Pastete kriegen!«
    Ljewin hatte die größte Lust, einen Schluck Branntwein zu trinken und einen Bissen Brot zu essen. Er war ganz
    schwach geworden und fühlte, daß er die Füße, die ihm den Dienst versagten, nur mit Mühe aus dem Moorgrund
    herausbekam. Einen Augenblick war er unschlüssig. Aber da stand sein Hund vor. Und sofort war alle Müdigkeit
    verschwunden, und leichten Schrittes ging er durch den Morast zu ihm hin. Unmittelbar vor seinen Füßen flog eine
    Bekassine auf; er schoß und traf – aber der Hund blieb stehen, ohne sich zu rühren. »Faß!« Dicht vor den Füßen des
    Hundes erhob sich eine zweite. Ljewin schoß. Aber es war eben ein Unglückstag für ihn; er hatte wieder gefehlt, und
    als er hinging, um die erlegte Bekassine zu suchen, da fand er auch diese nicht. Er durchstöberte das Riedgras in
    weiter Ausdehnung; aber Laska glaubte gar nicht, daß er getroffen habe, und als er sie auf die Suche schickte,
    stellte sie sich nur, als ob sie suchte, ohne es in Wirklichkeit zu tun.
    Also auch wenn Wasenka nicht dabei war, dem Ljewin die Schuld an seinem Mißgeschick beigemessen hatte, wollte
    ihm die Sache nicht gelingen. Bekassinen waren auch hier in Menge vorhanden; aber Ljewin tat einen Fehlschuß nach
    dem andern.
    Die schrägen Strahlen der Sonne waren noch recht heiß; die von Schweiß völlig durchtränkten Kleider klebten ihm
    am Leibe; der linke

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