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Anna Karenina

Anna Karenina

Titel: Anna Karenina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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treten«, erwiderte der Pförtner und nahm ihm unverzüglich den Pelz
    ab.
    ›Das ist ärgerlich‹, dachte Ljewin, indem er seufzend den einen Handschuh auszog und seinen Hut glattstrich.
    ›Was hat es nur für einen Zweck, daß ich zu diesen Leuten komme? Was habe ich mit ihnen zu reden?‹
    Als Ljewin durch das erste Zimmer ging, traf er gleich an der Tür auf die Gräfin Bohl, die mit verdrießlicher,
    strenger Miene einem Diener einen Befehl gab. Sobald sie Ljewins ansichtig wurde, lächelte sie und bat ihn, in den
    sich anschließenden kleinen Raum zu treten, aus dem Stimmen zu hören waren. In diesem Zimmer saßen in Sesseln die
    beiden Töchter der Gräfin und ein Moskauer Oberst, den Ljewin kannte. Ljewin trat zu ihnen, begrüßte sie und nahm,
    den Hut auf einem Knie haltend, neben dem Sofa Platz.
    »Wie befindet sich Ihre Frau Gemahlin? Waren Sie im Konzert? Wir konnten nicht hinkommen. Mama mußte bei einer
    Totenmesse sein.«
    »Ja, ich habe davon gehört«, erwiderte Ljewin. »Ein so plötzlicher Tod! Wie mag das nur gekommen sein?«
    Die Gräfin trat herein, setzte sich auf das Sofa und fragte gleichfalls nach Ljewins Frau und nach dem
    Konzerte.
    Ljewin antwortete und wiederholte seine Frage nach dem plötzlichen Tode der Fürstin Apraxina.
    »Sie hatte immer eine schwache Gesundheit.«
    »Waren Sie gestern in der Oper?«
    »Ja, ich war da«, antwortete Ljewin.
    »Die Lucca war recht gut.«
    »Ja, sehr gut«, erwiderte er, und da es ihm völlig gleichgültig war, was diese Leute von ihm denken mochten, so
    begann er dasselbe zu wiederholen, was schon hundertmal über die Besonderheit des Talentes dieser Sängerin gesagt
    worden war. Die Gräfin Bohl gab sich den Anschein, als höre sie ihm zu. Als er dann genug geredet hatte und
    schwieg, begann der Oberst, der bis dahin still gewesen war, zu sprechen. Er redete gleichfalls von der Oper und
    dann von der mangelhaften Straßenbeleuchtung. Endlich sprach er noch von einer in Aussicht genommenen folle
    journée 1 beim Grafen Tjurin, brach dabei in ein
    geräuschvolles Lachen aus, stand auf und empfahl sich. Ljewin war gleichfalls aufgestanden, merkte aber an der
    Miene der Gräfin, daß es für ihn noch nicht an der Zeit sei, wegzugehen. Es fehlten noch etwa zwei Minuten. Er
    setzte sich wieder.
    Aber da er immer daran denken mußte, wie dumm doch das Ganze sei, so fand er keinen Gesprächsstoff und saß stumm
    da.
    »Sie besuchen die öffentliche Sitzung nicht? Es soll ja sehr interessant sein«, begann die Gräfin.
    »Nein, ich besuche sie nicht; aber ich habe meiner Schwägerin versprochen, sie von da abzuholen«, antwortete
    Ljewin.
    Wieder trat ein Stillschweigen ein. Die Mutter und die eine Tochter wechselten, wie schon einmal, wieder einen
    Blick miteinander.
    ›Na, jetzt wird es ja wohl Zeit sein‹, dachte Ljewin und stand auf. Die Damen drückten ihm die Hand und baten
    ihn, an seine Frau mille choses 2 auszurichten.
    Der Pförtner fragte ihn, während er ihm in den Pelz half: »Dürfte ich um Ihre Adresse bitten?« und schrieb sie
    sofort in ein großes, schön eingebundenes Buch.
    ›Natürlich ist mir die ganze Geschichte gleichgültig, aber peinlich und furchtbar albern bleibt sie doch‹,
    dachte Ljewin und tröstete sich damit, daß es eben alle Leuten täten. Nun fuhr er zu der öffentlichen Sitzung des
    Ausschusses, wo er seine Schwägerin treffen sollte, um mit ihr zusammen nach Hause zu fahren.
    In der öffentlichen Sitzung des Komitees war viel Publikum anwesend und darunter fast die ganze bessere
    Gesellschaft. Ljewin kam gerade hin, als der Jahresbericht an der Reihe war, ein äußerst interessanter Bericht, wie
    alle sagten. Als die Vorlesung des Jahresberichtes zu Ende war, bildeten sich zwanglose Gruppen, und Ljewin traf
    unter anderen auch Swijaschski, der ihn einlud, am Abend doch ja in die Landwirtschaftliche Gesellschaft zu kommen,
    wo ein höchst bedeutsamer Vortrag gehalten werden würde; er fand auch Stepan Arkadjewitsch, der eben erst vom
    Rennen gekommen war, und noch viele andere Bekannte. Ljewin unterhielt sich noch ein Weilchen mit ihnen und hörte
    die verschiedenen Urteile über diese Sitzung und über ein neues Theaterstück und über einen Aufsehen erregenden
    Prozeß mit an. Aber wahrscheinlich durch die Ermüdung, die er zu fühlen begann, herrührend von der vorausgegangenen
    gespannten Aufmerksamkeit, beging er bei dem Gespräch über den Rechtsstreit einen Fehler, und an diesen Fehler
    erinnerte er sich

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