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Annas Erbe

Annas Erbe

Titel: Annas Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Eckert
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Farbeimer und fuhr zurück ins Präsidium.
     
     
    62.
     
    Noch nie hatte Thann mit solch innerer Anspannung an einer Einsatzbesprechung teilgenommen. Es sollte eine Razzia der besonderen Art werden. Am Freitag steigt 'ne Party. Das Jahr war erfolgreich. Bumm-Bumm kommt auch.
    Thanns Hände zitterten. Er hatte dem Weinbrand zu viel Kaffee nachgegossen.
    Sie waren zwanzig Mann. Er, Tommaso, Bönte und Bernhard sowie 16 Uniformierte der Schutzpolizei, die erst jetzt informiert wurden. Es sollte ein Überraschungsschlag werden. Die erste siegreiche Schlacht in diesem Feldzug, der seit einer Woche fast nur Niederlagen gebracht hatte. Hoffentlich.
    Nicht einmal den Vorgesetzten Fröhlich hatte Thann eingeweiht, gegen alle Dienstvorschriften. Er verteilte Fotokopien, die er gemacht hatte, und erläuterte das Innere des Hauses. Letzte Einsatzbefehle, dann fuhren sie los. Zwei Zivilfahrzeuge und zwei Mannschaftswagen, ohne Sirene und Blaulicht.
     
    Der Nebel trug den roten Neonschein des Belle Nuit bis weit auf den Parkplatz und die Straße. Dazu kam das Aufblinken der Dame mit der Zigarettenspitze wie ein Schuss Sahne in eine trübe Suppe. Sie rollten auf den Parkplatz. Thann führte die Hälfte der Leute zur vorderen Tür, Tommaso lief mit den anderen zum Hintereingang. Der Nebel verschlang sie im Nu. Ihre Schritte verhallten.
    Thann hörte Musik nach außen dringen, es war ein getragener Popsong aus der Zeit, als er noch ein Schüler war. A Whiter Shade of Pale. Zu viel Orgel und melancholischer Gesang. Thann packte die Klinke und trat ein.
    Nur die Bühne war erleuchtet. Blaues und rotes Scheinwerferlicht fiel auf eine Frau. Sie kniete, beugte den Oberkörper weit zurück und warf die Arme in wellenförmigen Bewegungen zur Seite. Sie trug nichts als eine Art Körperbemalung aus roter und blauer Farbe. Sie zuckte mit dem Becken, griff sich an die blau-roten Brüste und vollführte eine Reihe weiterer Bewegungen, die erotisch wirken sollten. Thann brauchte einige Sekunden, bis er die Augen von der Bühne wegbekam.
    Ein einziger Zuschauer saß im Gastraum und starrte zwischen die Schenkel der Tänzerin. Es war der kleine Geschäftsführer. Die Musik war so laut, dass er das Kommen der Beamten nicht wahrgenommen hatte. Thann wies seinen Leuten den Weg nach oben und suchte hinter der Bar nach dem Lautstärkeregler der Musikanlage. Mit einem Griff beendete er die künstlerische Darbietung.
    Der Kleine fuhr aus dem Sessel hoch und lächelte, als hätte er Thann erwartet.
    »Guten Abend, mein Herr. Schön, dass Sie meiner Einladung gefolgt sind. Leider kann ich Ihnen heute nicht viel bieten. Ich sagte ja, am Freitag geschlossene Veranstaltung.«
    »Wo sind Ihre Gäste?«
    »Heute habe ich keine Gäste, heute habe ich Casting. Vortanzen. Sandrine hat Urlaub. So muss ich mich nach Ersatz umsehen. Barbara macht es ganz gut. Komm, Barbara, sag dem Herrn Kommissar guten Abend.« Barba-raah.
    Thann genierte sich vor ihrer Nacktheit, als die farbenfrohe Tänzerin ihm die Hand gab.
    »Ein schmerzvoller Geschäftsverlust an diesem Abend, leider«, erklärte der Geschäftsführer. »Aber mithilfe von Barbaras Kunst werden wir das am Wochenende und an den Feiertagen spielend wieder aufholen, nicht wahr, Barbara?« Der laufende Meter sah zu ihr hoch. Er reichte ihr gerade bis zu den Brüsten. Barbara lächelte den Polizisten an.
    »Ich sehe, ihr unterhaltet euch blendend.« Die Stimme kam von hinten. Es war Tommaso.
    »Was ist?«
    »Alles leer.«
    »Hinter der Bühne? Hinter der Bar? Oben in den Zimmern?«
    »Niemand da.«
    »Das darf doch nicht wahr sein!« Thann wurde laut und rot. Nervenflattern. Sein Magen rotierte.
    »Bitte, beruhige dich.«
    »DIESER MANN PANSCHT SEINEN SCHNAPS!«, schrie Thann und zeigte auf den Geschäftsführer. »ER BETRÜGT DIE GÄSTE UND DIE STEUER! ER FÖRDERT DIE PROSTITUTION! FESTNEHMEN UND DIE BÜCHER BESCHLAGNAHMEN!«
    »Lasst ihn in Ruhe«, befahl Tommaso den verdutzten Uniformierten.
    »Hast du vielleicht gesungen? Bist du der Spitzel, den die Bande in der Sitte hat?« Thann packte Tommaso am Kragen. »DU HAST ALLES KAPUTT GEMACHT, DU VERRÄTERSCHWEIN. DU STECKST MIT BOLLMANN UNTER EINER DECKE.«
    Tommaso befreite sich aus Thanns Griff. »Entschuldige mal. Ich hab' zu niemandem etwas gesagt. Hier gibt es keine Spitzel. Und was hast du mit Bollmann? Mit dem stecken wir alle unter einer Decke, denn er ist unser Präsident. Beruhige dich. Ich glaube, du leidest unter Paranoia!«
    Thann kochte vor Wut.

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