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Anne auf Green Gables

Anne auf Green Gables

Titel: Anne auf Green Gables Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Maud Montgomery
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Marilla - schließlich hatte ich eine ganze Woche Zeit, um darüber nachzudenken. Als ich das Queen’s College verließ, schien meine Zukunft vor mir zu liegen wie eine lange, gerade Straße. Jetzt macht sie plötzlich eine Biegung. Ich weiß noch nicht, was hinter dieser Biegung auf mich wartet, aber ich glaube, es wird etwas Gutes sein: neue Welten, neue Schönheiten, Hügel und unbekannte Täler.«
    »Ich kann aber auf keinen Fall zulassen, dass du dein Stipendium aufgibst«, widersprach Marilla.
    »Du kannst mich nicht davon abhalten, Marilla. Ich bin sechzehn Jahre alt und mindestens genauso dickköpfig wie du«, sagte Anne entschieden.
    Als es sich in Avonlea herumsprach, dass Anne Shirley nicht auf das Redmond College gehen, sondern zu Hause bleiben und unterrichten wollte, war man sehr geteilter Meinung - zumal niemand etwas von Marillas schlechten Augen wusste. Die meisten Leute meinten, es sei töricht, eine solche Möglichkeit in den Wind zu schlagen. Mrs Allan gehörte allerdings nicht zu ihnen - und schon gar nicht die gute alte Mrs Lynde. Eines Abends, als Anne und Marilla gerade auf der Steinbank vor der Tür saßen und die letzten Sonnenstrahlen genossen, kam sie nach Green Gables hinüber. Es war ein herrlicher Sommerabend: Graue Nachtfalter schwirrten über dem Garten und ein feiner Geruch nach Minze erfüllte die laue Luft.
    Mit einem erleichterten Seufzer ließ sich Mrs Rachel neben Anne und Marilla auf die von großen rosa und gelben Stockrosen umstandene Steinbank fallen.
    »Ach, tut das gut, sich hinzusetzen! Ich bin den ganzen Tag auf den Beinen gewesen, ohne einmal richtig Rast zu machen. — Nun, Anne, ich habe gehört, du hast deinen Plan, das College zu besuchen, aufgegeben? Das ist ein höchst erfreulicher Entschluss, finde ich. Du kannst zufrieden sein mit deiner bisherigen Ausbildung. Ich halte nichts davon, wenn junge Mädchen sich wie Männer aufführen und sich den Kopf mit Latein und Griechisch voll stopfen.«
    »Latein und Griechisch werde ich trotzdem lernen, Mrs Lynde«, antwortete Anne lachend. »Ich habe mich fiir einen Fernlehrgang entschieden und werde hier auf Green Gables studieren.«
    Entsetzt schüttelte Mrs Lynde den Kopf und hob mahnend den Zeigefinger. »Anne Shirley, du wirst dir damit deine Gesundheit ruinieren!«
    »Im Gegenteil, ich werde wachsen und gedeihen. Schließlich werde ich ja nicht übertreiben. Aber an den langen Abenden im Winter habe ich viel Zeit. Ich werde drüben in Carmody unterrichten.«
    »Nach allem, was ich gehört habe, wirst du die Schule hier in Avonlea bekommen. Man hat es gerade beschlossen.«
    »Mrs Lynde!«, rief Anne und sprang überrascht auf. »Die Stelle war doch schon längst Gilbert Blythe versprochen worden.«
    »Ja, du hast Recht. Aber sobald Gilbert erfahren hat, dass du dich auch beworben hast, hat er seine Bewerbung wieder zurückgezogen und darum gebeten, dass man dir die Stelle gibt. Er selbst wird in White Sands unterrichten. Natürlich hat er das nur getan, um dir zu helfen. Er wusste, wie gern du bei Marilla bleiben wolltest und ich muss sagen: Das war wirklich sehr nobel von ihm - jawohl! Für ihn ist es ein echtes Opfer. In White Sands muss er nämlich für seine Unterkunft bezahlen - und das, wo doch jeder weiß, dass sein Vater nicht genug Geld hat, um ihn zu unterstützen ... Tja, Anne, es ist schon beschlossene Sache, dass du die Stelle bekommen sollst. Ich habe mich gefreut wie eine Schneekönigin, als Thomas vorhin nach Hause kam und es mir erzählte.«
    »Aber ich weiß gar nicht, ob ich das annehmen kann«, murmelte Anne. »Ich meine, ich kann doch nicht zulassen, dass Gilbert so ein großes Opfer bringt... für mich.«
    »Du kannst ihn sowieso nicht mehr davon abhalten: Seinen Vertrag in White Sands hat er schon unterschrieben. - Aber was hat das Geblinke da drüben bei Barrys Haus zu bedeuten?«
    »Diana gibt mir ein Zeichen, dass ich zu ihr kommen soll«, erklärte Anne. »Wir pflegen immer noch unsere alten Bräuche, müssen Sie wissen. Bitte, entschuldigen Sie mich, Mrs Lynde. Ich möchte hinüberlaufen und hören, was sie von mir will.«
    Flink wie ein Reh lief Anne über die Kleewiese und verschwand im Schatten des kleinen Tannenwäldchens zwischen Green Gables und Orchard Slope. Mrs Lynde sah ihr schmunzelnd nach. »Sie hat noch eine Menge von dem kleinen Mädchen an sich, das sie einmal war.«
    »Aber noch viel mehr von einer Frau«, gab Marilla in einem plötzlichen Anflug ihrer alten Schärfe

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