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Anne auf Green Gables

Anne auf Green Gables

Titel: Anne auf Green Gables Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Maud Montgomery
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wirklich aus tiefstem Herzen kam. Ich habe fürchterlich unter meinen roten Haaren und den vielen Sommersprossen gelitten. Die Sommersprossen sind jetzt fast weg und mein Haar ist inzwischen kastanienbraun geworden. Das bekomme ich von allen Seiten zu hören - außer von Josie Pye natürlich. Erst gestern meinte sie, ihr kämen meine Haare röter vor als je zuvor. Ach, Marilla, ich habe es fast schon aufgegeben, Josie Pye gern zu mögen. Ich habe mir Mühe gegeben, aber irgendwie will sie nicht gemocht werden.«
    »Sie ist eben eine Pye«, antwortete Marilla. »Die ganze Familie ist so, du darfst dir nichts daraus machen. - Wird Josie jetzt anfangen zu unterrichten?«
    »Nein, sie geht nächstes Jahr wieder aufs Queen’s College, so wie Moody Spurgeon und Charlie Sloane. Jane und Ruby werden aber unterrichten. Sie haben beide gute Schulen bekommen, Jane die in Newbridge und Ruby eine irgendwo im Westen.«
    »Gilbert Blythe will wohl auch an die Schule gehen, nicht wahr?«
    »Ja«, war Annes kurze Antwort.
    »Was für ein netter, gut aussehender junger Mann aus ihm geworden ist!«, sagte Marilla gedankenverloren. »Ganz wie sein Vater. .. John Blythe war ein feiner Kerl. Er und ich waren gute Freunde damals, die Leute nannten ihn meinen »Verehren.«
    Gespannt sah Anne Marilla an. »Und dann? Was ist passiert?«
    »Es gab einen dummen Streit und ich habe nicht eingelenkt, als er mich um Verzeihung bat. Später hätte ich mich nur allzu gern mit ihm versöhnt - aber zuerst war ich wütend und schmollte, und dann gab es keine Gelegenheit mehr dazu. John hatte sich von mir zurückgezogen. Die Blythes waren immer schon stolze und unabhängige Leute ... Ich habe mir wirklich oft gewünscht, ich hätte ihm verziehen, solange es noch Zeit war.«
    »Es gab also auch in deinem Leben eine Romanze«, stellte Anne teilnahmsvoll fest.
    »Ja, so könnte man es wohl nennen. Kaum zu glauben, wenn man mich heute so sieht, nicht wahr? Das mit John und mir ist lange her, ich hatte es selbst schon fast vergessen. Aber als ich Gilbert Blythe am letzten Sonntag in der Kirche sah, da war es mir, als wäre es erst gestern gewesen ...«

34 - Die Biegung in der Straße
    Am nächsten Morgen fuhr Marilla in die Stadt und kehrte erst am Abend zurück. Anne, die mit Diana nach Orchard Slope hinübergegangen war, fand Marilla in der Küche, als sie nach Hause kam. Den Kopf in die Hände gestützt, saß Marilla gebeugt am Küchentisch. Ihr Anblick versetzte Anne einen schmerzlichen Stich: Noch nie hatte sie Marilla so untätig und kraftlos erlebt.
    »Bist du müde, Marilla?«
    »Ja... nein... ich weiß nicht«, antwortete Marilla matt. »Wahrscheinlich bin ich müde, aber das ist es nicht.«
    »Was dann? Hast du den Spezialisten getroffen? Was hat er gesagt?«, fragte Anne besorgt.
    »Ja, er hat meine Augen untersucht. Er meinte, wenn ich das Lesen und Nähen vollständig aufgebe, möglichst nicht weine und die Brille trage, die er mir gegeben hat, würden meine Augen zumindest nicht schlechter werden und die Kopfschmerzen könnten sogar nachlassen. Sonst würde ich in sechs Monaten mein Augenlicht verlieren ... Blind! Anne, stell dir das nur vor!«
    Anne war vor Schreck wie erstarrt. Nach einer ganzen Weile sagte sie tapfer, doch mit zitternder Stimme: »Versuch nicht daran zu denken, Marilla! Er hat dir doch Hoffnung gemacht. Wenn du vorsichtig bist, wird es sich nicht verschlimmern. Vielleicht wirst du sogar endlich deine Kopfschmerzen los.«
    »Das ist eine sehr schwache Hoffnung«, gab Marilla bitter zurück. »Wozu soll ich denn noch leben, wenn ich weder lesen noch nähen, noch sonst etwas Nützliches anfangen kann. Da kann ich genauso gut blind sein. Und was das Weinen angeht: Die Tränen lassen sich auch nicht auf Kommando abstellen, wenn man einsam ist. - Ach, Anne, ich wäre dir dankbar, wenn du mir eine Tasse Tee machen könntest. Ich bin völlig erledigt. Und bitte, sag niemandem, was ich dir erzählt habe. Ich möchte nicht, dass die Leute mir das Haus einrennen, neugierige Fragen stellen und Mitleid mit mir haben. Das würde ich nicht aushalten.«
    Als Marilla ihren Tee getrunken und etwas gegessen hatte, überredete Anne sie, ins Bett zu gehen. Anne selbst ging in ihr Zimmer im Ostgiebel hinauf und setzte sich allein ans offene Fenster. Ihr Herz war schwer. Wie sehr hatte sich die Welt seit jener Nacht verändert, in der sie zuletzt hier gesessen hatte! Voller Hoffnung und Freude war sie gewesen, hatte sich ihre Zukunft in rosigen

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