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Anne auf Green Gables

Anne auf Green Gables

Titel: Anne auf Green Gables Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Maud Montgomery
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glaube nicht, dass es notwendig sein wird. Mrs Peter Blewett war nämlich gestern da und hat nach einem kleinen Mädchen gefragt, das ihr im Haushalt zur Hand gehen könnte. Sie hat eine riesengroße Familie und Sie wissen ja, wie schwer man es heutzutage hat eine Hilfe zu finden. Anne ist genau die Richtige für sie. Das kann man eine Fügung des Himmels nennen!«
    Marilla sah nicht so aus, als würde sie in diesem Fall an eine Fügung des Himmels glauben. Da tat sich nun plötzlich eine bequeme Lösung auf, das unerwünschte Waisenkind wieder loszuwerden — und sie empfand nicht die geringste Dankbarkeit dafür...
    Marilla kannte Mrs Blewett nur vom Sehen, hatte allerdings schon viel von ihr gehört: einen »schrecklichen Drachen« hatten entlassene Dienstmädchen und andere Leute im Dorf sie genannt und dabei Furcht erregende Geschichten von ihrem launischen Wesen, ihrer Knauserigkeit und ihrer frechen, streitsüchtigen Kinderschar erzählt. Bei dem Gedanken, Anne der Gnade oder Ungnade dieser Frau zu überlassen, regte sich Marillas Gewissen.
    »Na, so etwas! Da kommt ja gerade Mrs Blewett den Weg herauf«, rief Mrs Spencer freudig. »Was sagt man dazu? Kommen Sie doch bitte alle herein, dann können wir das Ganze gleich besprechen. Hier, nehmen Sie den Sessel, Marilla. Geben Sie mir Ihren Hut. Und du, Anne, setz dich hier auf den Polsterstuhl — aber nicht schaukeln! Florajane, stell doch bitte den Teekessel auf! Guten Tag, Mrs Blewett. Wir haben gerade gesagt, was für eine glückliche Fügung es ist, dass Sie heute bei mir vorbeischauen. Darf ich vorstellen: Mrs Blewett, Miss Cuthbert. Bitte, entschuldigen Sie mich einen Moment, ich habe vergessen Flora Jane zu sagen, dass sie die süßen Brötchen aus dem Ofen holen soll.«
    Die Hände artig im Schoß gefaltet, saß Anne stumm auf ihrem Stuhl und starrte unverwandt auf Mrs Blewetts hagere Gestalt. Sollte sie tatsächlich zu dieser Frau mit dem harten Gesicht und den verbitterten Augen kommen? Der Kloß in ihrem Hals wurde immer dicker und ihre Augen begannen zu brennen.
    »Mit diesem kleinen Mädchen hat es ein Missverständnis gegeben, Mrs Blewett«, erklärte Mrs Spencer, als sie in den Salon zurückkehrte. »Ich hatte gedacht, dass Mr und Miss Cuthbert ein kleines Mädchen adoptieren wollen. So war es mir ausgerichtet worden. Aber offensichtlich wollten sie einen kleinen Jungen. Wenn Sie also immer noch der Ansicht sind wie gestern, wäre die Kleine, glaube ich, genau das Richtige für Sie.«
    Mrs Blewett spießte Anne förmlich auf mit ihren Blicken und musterte sie vom Scheitel bis zur Sohle.
    »Wie alt bist du? Und wie heißt du?«, wollte sie wissen.
    »Anne Shirley«, stammelte das Mädchen und sank auf seinem Stuhl förmlich in sich zusammen. Vor lauter Angst traute es sich nicht einmal auf das e am Ende seines Namens hinzuweisen. »Ich bin elf Jahre alt.«
    »Hm! Nicht gerade viel dran an dir, aber du siehst drahtig aus und die Drahtigen können die härteste Arbeit leisten. Wenn ich dich aufnehmen soll, erwarte ich jedoch äußersten Gehorsam und Fleiß. Du musst dir deinen Unterhalt schon verdienen - damit das gleich von vornherein klar ist!« Dann wandte sich Mrs Blewett Marilla zu. »Also gut, ich nehme sie Ihnen ab, Miss Cuthbert. Die Kinder quengeln den ganzen Tag und ich bin schon völlig mit den Nerven runter. Wenn Sie wollen, kann ich sie gleich mit nach Hause nehmen.«
    Marilla sah zu Anne hinüber und dieser Anblick stummer Trauer ging ihr durch und durch. Sie sah ein hilfloses Geschöpf vor sich, das schon wieder in der Falle saß, der es gerade erst entronnen war. Marilla hatte das unbehagliche Gefühl, dass sie es sich nie verzeihen würde, wenn sie sich dieses Kindes nicht erbarmte - ja, sie spürte, dass dieses Bild sie noch auf dem Totenbettverfolgen würde. Außerdem gefiel ihr Mrs Blewett ganz und gar nicht. Ein so empfindsames, zartes Kind in die Hände dieser Frau zu geben . . . Nein, das konnte sie einfach nicht verantworten!
    »Nun, ich weiß nicht so recht«, begann sie langsam. »Eigentlich sind Matthew und ich uns noch nicht ganz schlüssig, ob wir Anne wirklich wieder weggeben wollen. Matthew jedenfalls neigt eher dazu, sie zu behalten. Ich bin eigentlich nur herübergekommen, um das Missverständnis aufzuklären. Ich glaube, ich nehme sie heute am besten wieder mit nach Green Gables und bespreche die ganze Sache noch einmal mit Matthew. Ich möchte nichts entscheiden, ohne ihn vorher gefragt zu haben. Falls wir sie

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