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Anne auf Green Gables

Anne auf Green Gables

Titel: Anne auf Green Gables Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Maud Montgomery
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Händen und sagte mit flehender Stimme: »Ach, bitte, Miss Cuthbert, wollen Sie mir nicht sagen, ob ich auf Green Gables bleiben darf oder nicht? Ich habe schon den Morgen versucht geduldig zu sein, aber ich kann die Ungewissheit nicht mehr länger ertragen. Bitte, sagen Sie es mir!«
    »Du hast das Geschirrtuch noch nicht in heißem Wasser ausgespült, wie ich es dir gesagt habe«, antwortete Marilla unbewegt. »Das erledigst du zuerst, bevor du irgendwelche weiteren Fragen stellst.« Anne ging und tat, was ihr gesagt worden war. Dann kehrte sie zu Marilla zurück und sah sie wieder mit flehenden Augen an.
    »Nun«, sagte Marilla, der keine Ausrede mehr einfiel, um ihre Erklärung noch weiter hinauszuzögern, »dann werde ich es dir jetzt sagen: Matthew und ich haben uns dazu entschlossen, dich hier zu behalten - wenn du versprichst, ein braves Mädchen zu sein und dich dankbar zu erweisen. - Aber Kind, was ist denn?«
    »Ich muss weinen«, stammelte Anne, »ich weiß selbst nicht, wieso. Ich bin so froh, wie man es sich nur vorstellen kann. Ach was, froh ist gar nicht der richtige Ausdruck! Über die >Weiße-Blütentraum-Allee< und die >Schneekönigin< war ich froh - jetzt ist es aber noch viel mehr. Ich bin glücklich! Und ich werde versuchen, ganz, ganz brav zu sein, auch wenn mich das noch so viel Mühe kosten wird. Mrs Thomas hat nämlich immer gesagt, ich sei hoffnungslos verdorben.«
    »Jetzt beruhige dich erst einmal. Du kannst hier bleiben und wir werden versuchen, gut zu dir zu sein. Vor allem musst du zur Schule gehen. In zwei Wochen gibt es allerdings sowieso Ferien, vor Anfang des neuen Schuljahrs im September hat es also wohl kaum Sinn.«
    »Und wie soll ich Sie anreden?«, fragte Anne. »Soll ich immer Miss Cuthbert sagen? Oder kann ich Sie Tante Manila nennen?«
    »Nein, du sagst >du< und Manila zu mir. Ich bin es nicht gewohnt, immerzu Miss Cuthbert genannt zu werden. Ich glaube, es würde mich fürchterlich nervös machen.«
    »Aber es hört sich so respektlos an, einfach nur Marilla zu sagen«, wandte Anne ein.
    »Wenn du nicht respektlos bist, wird es sich auch nicht so anhören. Alle in Avonlea nennen mich Marilla, abgesehen vom Pfarrer: Er nennt mich Miss Cuthbert - allerdings auch nur, wenn er daran denkt.«
    »Ich habe nie eine Tante gehabt«, sagte Anne wehmütig, »überhaupt keine Verwandten, noch nicht einmal Großeltern. Ich hätte das Gefühl, richtig zu euch zu gehören. Ich würde so gern Tante zu dir sagen. Ja, darf ich?«
    »Nein. Ich bin nicht deine Tante und ich halte nichts davon, wenn man die Dinge anders nennt, als sie sind.«
    »Aber wir können uns doch vorstellen, dass du meine Tante bist.«
    »Ich halte auch nichts davon, sich die Dinge anders vorzustellen, als sie sind«, widersprach Marilla. »Wenn Gott uns an einen bestimmten Platz gestellt hat, dann hat Er das nicht getan, damit wir versuchen, uns an einen anderen zu träumen. - Das erinnert mich an etwas. Geh doch bitte mal ins Wohnzimmer, Anne — aber streif vorher deine Schuhe ordentlich ab und pass auf, dass du keine Fliegen mit hineinlässt- und hol die bunte Karte, die auf dem Kaminsims liegt. Das Vaterunser steht darauf und ich möchte, dass du heute Nachmittag deine freie Zeit darauf verwendest, es auswendig zu lernen. Solche Gebete wie gestern Abend will ich in Zukunft nicht mehr hören.«
    »Ich fürchte, ich war ziemlich unbeholfen«, sagte Anne entschuldigend, »aber ich hatte ja auch überhaupt keine Übung. Man kann von dem ersten Gebet, das ein Mensch sich ausdenkt, nicht zu viel erwarten, oder? Als ich im Bett lag, habe ich mir noch ein herrliches Gebet ausgedacht, genau wie ich es versprochen hatte. Es war fast so lang wie das, was der Pfarrer in der Kirche immer spricht - und schrecklich poetisch! Aber heute Morgen konnte ich mich an kein einziges Wort mehr erinnern. So ein schönes Gebet kann ich mir wahrscheinlich nie wieder ausdenken. Irgendwie verlieren solche Sachen, wenn man sie zum zweiten Mal versucht. Hast du das auch schon mal bemerkt?«
    »Eins kannst du dir gleich hinter die Ohren schreiben, Anne: Wenn ich dir sage, was du tun sollst, dann erwarte ich, dass du mir gehorchst und nicht noch stundenlang hier herumstehst und lange Reden schwingst. Geh also und tu, was ich dir gesagt habe.«
    Auf diese Worte hin ging Anne unverzüglich in das Wohnzimmer, kam aber nicht wieder. Nachdem sie zehn Minuten gewartet hatte, legte Marilla ihr Strickzeug beiseite und folgte der Kleinen mit grimmiger

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