Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung
rundweg, doch er beschied sie mit der ganzen Abschlägigkeit größten Befremdens, größter Kälte, größter Stummheit sowie dem klarenEntschluß, keine Hand für seine Tochter zu rühren. Er empfand die Verbindung als zutiefst schmachvoll; und auch Lady Russell sah, obschon aus einem gemäßigteren und verzeihlicheren Stolz heraus, ein ausgemachtes Unglück darin.
Daß Anne Elliot, mit all den Ansprüchen, zu denen Geburt, Schönheit und Geist sie berechtigten, sich mit erst neunzehn so wegwerfen, sich mit erst neunzehn an einen jungen Mann binden sollte, der keinen Fürsprecher hatte als sich selbst und dessen einzige Hoffnung, zu Wohlstand zu gelangen, die Wechselfälle eines höchst unsicheren Berufs waren, eines Berufs überdies, in dem sein weiterer Aufstieg durch keinerlei Protektion gewährleistet war – bei dem bloßen Gedanken an solche Vergeudung schauderte ihr! Anne Elliot, so jung, so wenigen noch bekannt, sollte von einem Fremden ohne Beziehungen oder Vermögen weggeheiratet, nein, von ihm hinabgezogen werden in einen Zustand zermürbender, drückender, jugendaufzehrender Abhängigkeit? Das durfte nicht sein, nicht, wenn es sich durch das sorgliche Eingreifen und die Vorhaltungen einer Freundin, die fast schon Mutterliebe, ja Mutterrechte, geltend machen konnte, verhindern ließ.
Captain Wentworth besaß kein Vermögen. Er war gut gefahren in seinem Beruf, aber er hatte das, was ihm zugeflossen war, großzügig ausgegeben und nichts gespart. Jedoch vertraute er fest darauf, daß er bald reich sein würde; voll Energie und Tatendrang, wie er war, schien es ihm nur eine Frage der Zeit, bis er ein Schiff befehligte und ein Kommando erhielt, das ihm all das verschaffte, was er brauchte. Das Glück war ihm immer treu gewesen; warum sollte dies plötzlich nicht mehr so sein? Ein solches Selbstvertrauen, mitreißend schon durch seine Überzeugtheit und bestechend durch den Humor, mit dem es sich häufig darbot, genügte Anne vollauf, aber Lady Russell sah es ganz anders. – Seine Zuversicht und Couragiertheit hatten auf sie gerade die entgegengesetzte Wirkung. Für sie machten sie die Sache noch schlimmer. Siegaben ihm eine gefährliche Note. Er war geistreich, er war eigensinnig. – Lady Russell hatte für Humor wenig Sinn und gegen alles, was nach Unbesonnenheit roch, einen Abscheu. Sie mißbilligte die Verbindung aus jeder Warte.
Einem Widerstand, wie solche Gefühle ihn erzeugten, war Anne nicht gewachsen. Mit dem Unwillen des Vaters wäre sie, so jung und sanft sie war, vielleicht sogar fertig geworden, auch wenn nicht ein freundlicher Satz oder Blick ihrer Schwester ihn milderten; – Lady Russell dagegen, die sie immer geliebt und der sie immer vertraut hatte und die ihre Argumente mit immergleicher Beharrlichkeit und Behutsamkeit vortrug, konnte auf Dauer nicht ins Leere reden. Anne ließ sich davon überzeugen, daß die Verlobung verfehlt sei – unbedacht, ungehörig, fast notwendig zum Mißlingen verdammt und des Gelingens auch gar nicht würdig. Doch nicht nur Sorge um sich selbst trieb sie dazu, sie zu beenden. Hätte sie nicht vermeint, noch weit mehr in seinem Interesse zu handeln als in ihrem, hätte sie ihn kaum aufzugeben vermocht. – Der Glaube, daß ihre Vernunft und Entsagung hauptsächlich
seinem
Wohl dienten, war ihr größter Trost in der Qual des Abschieds – eines Abschieds für immer; und Trost war um so bitterer vonnöten, als sie zu allem anderen noch den Schmerz ertragen mußte, ihn seinerseits ganz und gar uneinsichtig und unnachgiebig zu sehen, erbost über das Unrecht, das ihm mit diesem erzwungenen Verzicht widerfuhr. – Kurz darauf hatte er die Gegend verlassen.
Nur wenige Monate hatten zwischen Beginn und Ende ihrer Bekanntschaft gelegen; doch das Leid, das Anne daraus entstand, war keineswegs nach wenigen Monaten vorbei. Sehnsucht und Reue hatten ihr lange jede Jugendfreude vergällt und sie verfrüht welk und schwermütig gemacht.
Über sieben Jahre waren vergangen, seit diese kleine Episode trauriger Zugetanheit ihren Abschluß gefunden hatte, und die Zeit hatte einem großen, vielleicht dem allergrößten Teil ihrer Gefühle für ihn den Stachel genommen – aber siewar zu sehr auf die Zeit allein angewiesen gewesen; ihr war kein Ortswechsel zu Hilfe gekommen (außer einem Besuch in Bath kurz nach dem Bruch), keine sonstige Veränderung oder neue Bekanntschaft. – Niemand war im Umkreis von Kellynch aufgetaucht, der an Frederick Wentworth herangereicht
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