Anne Frasier
und letzten Sommer auch nicht, so wie die heruntergefallenen Äste im Wirrwarr aus totem Gras lagen, über die unvorsichtige Besucher leicht stolpern könnten.
»Sieht so aus, als wäre hier seit Jahren niemand mehr begraben worden«, sagte Ivy.
»Viele dieser kleinen Friedhöfe sind praktisch vergessen«, sagte Max ihr und ging zwischen den umgestürzten Grabsteinen hindurch. »Der hier gehört wahrscheinlich zu einer Kirche, die es seit Jahren nicht mehr gibt.«
Der Tatort befand sich hinten auf dem Friedhof, wo Bäume aufragten über Krankenwagen und dem Van der Spurensicherung und alles in eine intensive Dunkelheit tauchten. Am Rand wuchs das Dickicht so dicht und geheimnisvoll wie ein Dschungel.
Ein Altar stand ein paar Meter vor dem wirren Grün; hier musste irgendwann einmal die Ostermesse gelesen worden sein.
Nebeneinander näherten sich Ivy und Max dem Tatort, sie gingen über die von den Reifen plattgefahrenen Wege. Ein kleiner roter Wagen wurde hinten auf einen Laster geladen, der ihn in das Labor der Spurensicherung bringen würde. Das FBI war da, zusammen mit ein paar Mitarbeitern der Mordkommission, die Ivy kurz in der Zentrale gesehen hatte.
Eine Kamera klickte, ein anderer Techniker bediente eine Videokamera.
Einer der Detectives entdeckte sie und kam auf sie zu. Sein Gesicht war sehr ernst. »Als wir die zerbrochene Schneekugel fanden, habe ich Sie gleich angerufen«, sagte er im Näherkommen.
»Passt sie zu den anderen?«, fragte Max.
»Schwer zu sagen. Sie ist zerbrochen. Selbst die Figuren im Inneren. Und das Opfer hat hier eine Weile gelegen - sieht aus, als wären die Krähen schon ordentlich an ihm dran gewesen. Ich schätze, die Schneekugel wurde neben das Opfer gestellt, auf den Altar, aber irgendwas - wahrscheinlich ein Vogel - hat sie heruntergestoßen.«
»Wissen Sie, was das Opfer hier wollte?«
»Noch nicht. Aber wenn wir eine positive Identifikation vorgenommen haben, werden unsere Leute seine Kollegen, Freunde und Verwandten verhören.«
»Schicken Sie mir so bald wie möglich Kopien.«
»Das Gras um den Altar herum ist bereits abgesaugt, da können Sie längsgehen. Wir sind aber mit der Leiche und dem Altar selbst noch nicht fertig.« Er warf Ivy einen Blick zu, dann Max. »Es ist ziemlich schlimm. Ich würde schätzen, er wurde mit einer Axt zerhackt. Ein paar unserer Leute haben sich übergeben. So was habe ich lange nicht mehr gesehen.«
Max wünschte sich plötzlich, er hätte nicht auf Ivy gewartet. Ihm wurde klar, dass das vielleicht ein bisschen unsensibel gewesen war. Sie war so sehr Teil von allem geworden, dass er nicht einmal mehr nachgedacht hatte. Einen Augenblick lang hatte er vergessen, dass sie nicht daran gewöhnt war, jede Woche Leichen zu sehen.
Als der Detective gegangen war, wandte sich Max an Ivy. »Sie können hierbleiben, wenn Sie wollen.«
Das betrachtete sie natürlich als Herausforderung. Sie hob das Kinn, presste die Lippen aufeinander. Kam mit. Es war schlimm. Wirklich schlimm.
Die Leiche lag rücklings auf dem Altar, die abgetrennten Arme nicht weit weg im Gras. Die Augen waren weg, wahrscheinlich hatten die Vögel sie gefressen, es blieben nur zwei schwarz« Löcher, die himmelwärts starrten. Das Gesicht war
aufgedunsen. Schmeißfliegen und Maden quollen aus jeder Öffnung, sodass die Leiche eigenartig lebendig wirkte.
»Das ist Alex Martin«, sagt Ivy benommen; sie konnte seine Züge gut genug erkennen, um ihn zu identifizieren.
»Das kann nicht der Madonna-Mörder gewesen sein«, sagte Max mit leiser Stimme, sodass nur Ivy ihn hören konnte. »Warum sollte er jetzt auf einmal einen erwachsenen Mann töten?«
»Ich glaube, wir sollten es nicht so schnell von der Hand weisen. Es gibt von jedem menschlichem Verhalten Ausnahmen.«
»Wir können es uns nicht leisten, Zeit damit zu verschwenden, in die falsche Richtung zu denken.«
Der Madonna-Mörder hatte seit über zwei Wochen nicht zugeschlagen. Sie warteten jetzt jederzeit auf einen neuen Mord und konnten es nicht riskieren, Energie auf falsche Spuren zu verschwenden.
»Was ist mit Jonas Sandberg aus Schweden?«, fragte Ivy. »Als man ihn wegen des Mordes an zwölf minderjährigen Mädchen festnahm, steckte man ihn in die Psychiatrie. Schweden hat ein reichlich liberales Gefängniswesen. Nachts schlich er davon und ermordete junge Männer, morgens lag er wieder in seinem Bett. Niemand glaubte, dass er es sein könnte, denn er hatte zuvor keine Männer getötet, und die
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