Anne Frasier
erklärte ihnen, wie sie zu Hastings' Wohnung kamen, als hätte sie es in den letzten Tagen schon mehrfach getan. »Es sind schon Leute oben!«, rief sie ihnen hinterher, während Max und Ivy die Treppe hochliefen.
Drei Stockwerke, dann den Flur nach rechts. Apartment 324.
Die Tür stand offen; sie konnten die Stimmen hören, lange bevor sie da waren.
Drinnen standen zwei Frauen, eine knapp fünfzig, die andere etwa fünfundzwanzig. Sie sprachen mit einem uniformierten Polizisten, der sich Notizen machte.
Max stellte sich und Ivy vor.
Die Frauen waren Reginas Mutter und Schwester.
»Regina ruft mich immer alle zwei oder drei Tage an«, sagte die ältere Frau. »Spätestens alle drei Tage. Ich habe sie mehrfach angerufen, habe Nachrichten hinterlassen, aber sie hat mich nicht zurückgerufen. Ich habe einen Schlüssel zu ihrer Wohnung, also bin ich hergekommen. Ihr Wagen war da, aber sie nicht. Aber sie fährt nicht überall mit dem Auto hin, deswegen dachte ich mir, vielleicht ist sie beim Dienst. Ich weiß, dass sie bei Ihnen arbeitet, Detective, und ich weiß, dass sie viele Überstunden machen muss. Also sagte ich mir: Mach dir keine Sorgen, obwohl ich mir Sorgen gemacht habe, ich kann nicht anders, so sind Mütter eben, nicht wahr?«, fragte sie und schaute Ivy an.
Ivy lächelte und stimmte ihr zu.
»Meine Tochter sagte mir, es wäre bestimmt nichts, aber sie würde mir helfen, mich zu beruhigen. Sie rief die Nummer an, die Gina uns gegeben hat, die Notrufnummer der Einsatzzentrale, und dort sagte man uns, sie wäre seit drei Tagen nicht mehr bei der Arbeit gewesen. Irgendetwas
stimmt nicht. Ich kann es spüren. Irgendetwas stimmt ganz und gar nicht.«
Sie begann zu weinen, und ihre Tochter legte einen Arm um sie, versuchte, sie zu beruhigen.
»Wenn dieser Madonna-Mörder sie erwischt hat, dann werde ich es nicht überleben. Ich glaube, ich werde nicht den Rest meines Lebens jeden Tag daran denken können. Als Erstes, wenn ich aufstehe, und als Letztes, bevor ich zu Bett gehe.«
Sie brach endgültig zusammen, und ihre Tochter führte sie zu einem Sofa in der Ecke.
»Warum ist die Wohnung nicht abgesperrt, um Spuren zu sichern?«, fragte Max den Polizisten.
»Sie haben mir gesagt, dass sie sowieso gestern schon hier waren. Sie haben wahrscheinlich ohnehin schon fast alles angefasst. Er senkte die Stimme, sodass die Frauen ihn nicht hören konnten. »Obwohl sie angerufen haben, um sie vermisst zu melden, schein res, als hätte der Anblick meiner Uniform alles viel echter wirken lassen. Seit ich hier bin, klappt sie alle paar Minuten so zusammen.«
Max nickte und zog sein Handy heraus. »Wir brauchen die mobile Spurensicherung«, sagte er in das Gerät. Er nannte die Adresse. »Sie müssen die Wohnung nach Fasern und möglichen Blutspuren durchsuchen, und alle Oberflächen auf Fingerabdrucke. Und sagen sie ihnen, dass sie ein Auto unter s uchen und mitnehmen müssen,«
Kaum hatte er aufgelegt, klingelte sein Telefon, Es war das dritte Mal in einer Stunde, dass Ramirez anrief. »Wir wissen noch nichts Neues«, sagte Max zu ihm. »Aber wenn wir etwas erfahren, rufe ich Sie an.« Er legte auf und steckte das Handy in die Tasche.
»Nichts mehr anfassen, bis die Spurensicherung hier ist« sagte Max. Dann überliessen Ivy und er Regina Hastings´ Mutter und Schwester dem Polizisten.
Nach der Beschreibung, die sie erhalten hatten, fanden sie
Reginas Wagen - einen kleinen grünen Toyota - auf dem Parkplatz, im Schatten eines verrosteten Carports.
»Sieht brandneu aus«, sagte Ivy, als sie näher kamen. Ohne etwas anzurühren, schauten sie zu den Fenstern hinein. Nichts. Kein Dreck, kein Kaugummipapier, nichts. Mit der Fernbedienung und dem Extraschlüssel, die Reginas Mutter ihnen gegeben hatte, öffnete Max den Kofferraum. Der Deckel klappte hoch, und sie traten näher.
»O mein Gott«, sagte Ivy und hob eine Hand vor den Mund.
Da war Regina, oder was noch von Regina übrig war. Sie war zusammengeschlagen worden, ihr Gesicht war blutunterlaufen und dick geschwollen.
Ivy beugte sich vor.
»Mein Gott, Max, sie lebt noch.«
36
»Die kann ich Ihnen nicht auffüllen«, sagte der Apotheker und versuchte, ihm die leeren braunen Dosen zurückzureichen. »Noch eine Woche lang nicht.«
»Aber meine Mutter hat keine Medikamente mehr. Sie hat Schmerzen. Was ist, wenn ich sie bar bezahle?«
»Tut mir leid, die sind verschreibungspflichtig. Wenn Sie sie wie angegeben genommen hat, müsste sie noch zwei
Weitere Kostenlose Bücher