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Anne in Kingsport

Titel: Anne in Kingsport Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Maud Montgomery
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bezahlt sein.«
    Diese praktische Sicht der Dinge heiterte Anne ein wenig auf. Die Angst davor, ausgelacht zu werden, verschwand allmählich, obwohl eine tiefe Wunde zurückblieb.

16 - Beziehungen werden geregelt
    »Es ist das heimeligste Haus, das ich kenne - heimeliger als zu Hause«, bekannte Philippa Gorden und schaute sich verzückt um. Alle hatten sich in der großen Wohnstube von Pattys Haus versammelt - Anne und Priscilla, Phil und Stella, Tante Jamesina sowie die Katzen Rusty, Joseph und Sarah. Das Feuer warf tanzende Schatten an die Wände, die Katzen schnurrten. Auf dem Tisch stand ein riesengroßer Strauß Chrysanthemen, die Phil von einem ihrer Verehrer geschickt bekommen hatte.
    Es war jetzt drei Wochen her, dass sie in Pattys Haus eingezogen waren. Alle glaubten an das gute Gelingen des Experiments. Die beiden ersten Wochen waren sie damit beschäftigt gewesen, die Haushaltssachen einzuräumen, alles zu organisieren und Meinungsverschiedenheiten aus dem Weg zu räumen.
    Anne war nicht gerade ungern aus Avonlea abgereist. Die letzten paar Ferientage waren nicht besonders schön gewesen. Ihre Preisausschreiben-Geschichte war in der Zeitung abgedruckt worden. Und Mr Blair hatte auf dem Ladentisch einen riesigen Stapel roter, grüner und gelber Broschüren mit ihrer Geschichte ausgelegt und händigte jedem Kunden eine aus. Als Glückwunsch schickte er Anne einen ganzen Stoß davon, den sie gleich in den Küchenofen steckte. Sie war die Einzige, die es als Schande ansah. Die Leute von Avonlea fanden es großartig, dass sie den Preis gewonnen hatte. Ihre Freunde waren voll Bewunderung, ihre Feinde voll verächtlichem Neid. Josie Pye meinte, Anne hätte die Geschichte abgeschrieben. Sie könnte schwören, dass sie sie Vorjahren schon einmal in irgendeiner Zeitung gelesen hätte. Tante Atossa sagte, sie bedaure sehr, dass Anne sich aufs Schreiben verlegt hätte. Niemand, der in Avonlea geboren und aufgewachsen wäre, täte so etwas. Das hätte man nun davon, wenn man Waisenkinder mit wer weiß was für Eltern und von wer weiß woher adoptierte. Auch Mrs Lynde befielen düstere Zweifel, ob es richtig war, frei erfundene Geschichten zu schreiben, obwohl sie der Scheck halbwegs versöhnte.
    »Es ist wirklich erstaunlich, dass man für solche Lügenmärchen so viel Geld bezahlt«, sagte sie halb hochmütig, halb streng.
    Darum auch war es eine Erleichterung, als endlich die Zeit der Abreise kam. Es war herrlich, wieder am Redmond zu sein und die Freunde wieder zu sehen. Pris und Stella und Gilbert waren da, Charlie Sloane, der gewichtiger dreinsah, als man es je bei einem Zweitsemester gesehen hatte, Phil mit der immer noch ungeklärten Alec-und-Alonzo-Frage und Moody Spurgeon MacPherson.
    Tante Jamesina traf erst ein, als sie Pattys Haus schon hergerichtet hatten. Miss Patty hatte Anne den Schlüssel geschickt. Im Brief stand, dass die Porzellanhunde in einer Schachtel verpackt unter dem Gästezimmerbett lägen, dass sie sie aber wieder aufstellen könnten, wenn sie wollten. Im Nachsatz fügte sie hinzu, dass sie möglichst keine Bilder mehr aufhängten, um nicht unnötig noch mehr Löcher in die Tapete zu machen. Im Übrigen vertraue sie auf Anne.
    Sie genossen es, sich ihr Zuhause herzurichten! Jede steuerte etwas bei, was das Haus verschönerte oder es gemütlicher machte. Pris und Phil und Stella brachten Nippsachen und etliche Bilder mit, die sie ohne Rücksicht auf die Tapete ganz nach ihrem Geschmack aufhängten. Diana hatte Anne ein Kräuterkissen mitgebracht und Miss Ada hatte ihnen beiden und Priscilla ein schrecklich schönes Stickkissen geschenkt. Marilla hatte ein großes Paket mit Eingemachtem geschickt. Mrs Lynde schenkte Anne eine Flickendecke und borgte ihr noch fünf weitere aus.
    »Die nimmst du mit«, sagte sie bestimmt. »Besser man nimmt sie in Gebrauch, als dass sie im Schrank auf dem Speicher herumliegen und die Motten sich darüber hermachen.«
    Keine Motte hätte sich je an diese Decken gewagt, denn sie stanken so grauslich nach Mottenkugeln, dass sie sie erst einmal geschlagene zwei Wochen im Garten von Pattys Haus auslüften mussten.
    Nun hatte Pattys Haus neben all seinen Vorzügen auch ein paar Mängel. Es war wirklich ziemlich kalt darin. Und als es dann Nachtfrost gab, waren die Mädchen froh, dass sie sich in Mrs Lyndes Decken kuscheln konnten.
    Anne hatte das blaue Zimmer bekommen, auf das sie gleich ganz versessen gewesen war. Priscilla und Stella bekamen die großen Zimmer.

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