Anne in Kingsport
schwarzen Flecken auf der anderen Seite. Der Schwanz war gelb, die Schwanzspitze grau. Ein Ohr war schwarz, das andere gelb. Ein schwarzer Fleck über dem einen Auge verlieh ihm ein höchst verwegenes Aussehen. Dabei war er sanftmütig und gutartig.
Joseph und Katze Sarah wurden per Express in getrennten Kisten herbefördert. Nachdem sie freigelassen waren und zu fressen bekommen hatten, suchte sich Joseph sein Kissen und seine Ecke aus. Katze Sarah ließ sich gewichtig vor dem Feuer nieder und putzte sich weiter das Gesicht. Sarah war groß, glatthaarig, grau-schwarz gefärbt und von unglaublicher Würde. Tante Jamesina hatte sie von ihrer Waschfrau bekommen.
Da erschien Rusty auf der Bildfläche. Er sprang munter halb durchs Zimmer, bevor er die Eindringlinge bemerkte. Dann blieb er stehen. Sein Schwanz wurde buschig, dass er dreimal so groß wie normal aussah. Er machte einen Katzenbuckel. Dann senkte er den Kopf, gab einen fürchterlichen Wut- und Angriffsschrei von sich und schoss auf Katze Sarah los.
Sarah hatte aufgehört sich zu putzen und sah Rusty neugierig an. Sie wehrte seinen wilden Angriff mit einem einzigen kräftigen Schlag mit der Pfote ab. Rusty rollte hilflos über den Läufer; benommen stand er auf. Was war das für eine Katze, die ihm da was auf die Ohren gab? Er sah Katze Sarah unsicher an. Sollte er oder sollte er nicht? Katze Sarah kehrte ihm bedächtig den Rücken zu und putzte sich weiter. Rusty entschied sich für nicht - ein für allemal. Von diesem Zeitpunkt an gab Katze Sarah den Ton an. Rusty legte sich nie wieder mit ihr an. Joseph stand schnell auf und gähnte. Rusty, der darauf brannte, sich für die Schande zu rächen, fiel nun über ihn her. Joseph, der an sich friedlich war, konnte, wenn es nötig war, schon kämpfen, und wie! Es kam zu endlosen Schlachten, die alle unentschieden ausgingen. Die beiden brauchten sich nur zu sehen, und der Kampf ging los. Anne hielt zu Rusty, Joseph konnte sie nicht leiden. Stella war verzweifelt. Aber Tante Jamesina fand es nur lustig.
»Lasst sie doch«, sagte sie duldend. »Sie werden sich schon noch anfreunden. Joseph tut es gut - er war viel zu dick. Und Rusty muss lernen, dass er nicht die einzige Katze auf der Welt ist.«
Schließlich fanden sich Joseph und Rusty mit der Situation ab und aus eingeschworenen Feinden wurden dicke Freunde. Sie schliefen auf demselben Kissen, legten dabei ihre Pfoten aufeinander und leckten einander das Fell.
»Wir haben uns langsam auch aneinander gewöhnt«, sagte Phil. »Und ich kann jetzt abwaschen und fegen.«
»Aber versuche uns nicht weiszumachen, du könntest eine Katze chloroformieren«, lachte Anne.
17 - Ein Brief von Davy
»Es hat angefangen zu schneien«, sagte Phil, als sie zur Tür hereinkam. Es war ein Abend im November. »Was Schneeflocken doch für feine Gebilde sind! Zum Beispiel gibt es sternförmige und kreuzförmige, das ist mir heute zum ersten Mal aufgefallen. Das Pfund Butter ist übrigens um fünf Cent teurer geworden.«
»Tatsächlich?«, sagte Stella, die die Haushaltskasse führte.
»Ja - da hast du deine Butter. Ich entwickle mich allmählich zur Expertin in Sachen Einkauf. Es macht direkt Spaß«, sagte Phil ernst.
»Laufend wird alles teurer«, seufzte Stella.
»Mach dir nichts draus. Solange Luft und Liebe noch nichts kosten«, sagte Tante Jamesina.
»Und Lachen«, fügte Anne hinzu. »Das ist auch noch umsonst.
Was für ein Glück, denn gleich werdet ihr etwas zu lachen haben. Ich möchte euch nämlich Davys Brief vorlesen, i
n Rechtschreibung hat er große Fortschritte gemacht, nur mit dem Apostroph hapert es noch, und er hat die Gabe, wirklich interessante Briefe zu schreiben. Er hat wirklich Talent zum Briefeschreiben. Also, bevor wir uns wieder ans Lernen machen, hier etwas zum Lachen.«
»Liebe Anne«, begann Davys Brief, »ich wollte dir berichten, dass es uns gut geht. Dir geht es doch auch gut? Seit ein paar Tagen schneits, und Marilla sagt, Frau Holle im Himmel schüttelt ihre Betten aus. Ist Frau Holle die Frau vom lieben Gott, Anne? Das will ich wissen.
Mrs Lynde war schlimm krank, aber jetzt gehts ihr wieder besser. Sie ist letzte Woche die Kellertreppe runtergefallen.
Im Fallen hat sie sich am Regal mit den Milchtöpfen und Bratpfannen festgehalten, und es ist mit runtergekracht. Das gab ein dolles Geschepper. Marilla dachte erst, es wäre ein Erdbeben. Eine Bratpfanne war ganz verbeult und Mrs Lynde hat sich die Rippen weh getan. Der Doktor ist
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