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Anne in Kingsport

Titel: Anne in Kingsport Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Maud Montgomery
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Ich war schon so lange Witwe, dass keiner damit gerechnet hat, dass ich noch mal heirate. Als aber meine Tochter - die ist auch Lehrerin - an ’ne Schule in die Weststaaten ging, da saß ich plötzlich allein da und wollte mich eigentlich gern noch mal mit jemand zusammentun. Und da kamen zwei an, Thomas und der andere - William Obadiah Seaman hieß der. Lange war ich mir dann ganz unsicher, aber die haben immer weiter gebohrt und ich hab weiter nachgedacht. Wissen Sie, W. O. war nämlich betucht - er hat’n schönes Haus und so. Er wär mit Abstand die bessere Partie gewesen. Hü, Schwarzer.«
    »Warum haben Sie dann nicht ihn geheiratet?«, fragte Anne. »Tja, wissen Se, er hat mich nicht geliebt«, antwortete Mrs Skinner ernst.
    Anne sah Mrs Skinner mit großen Augen an. Aber sie hatte es nicht scherzhaft gemeint. Mrs Skinner fand daran offensichtlich nichts lustig.
    »Er war seit drei Jahren Witwer und da hat er einfach nur eine gesucht, die sich ums Haus kümmert. Das hatte es auch nötig, kann ich Ihnen sagen. Es ist ein schönes Haus. Hü, Schwarzer. Ja, und Thomas, der war arm, und man kann von Wunder reden, dass es nicht sogar bei trockenem Wetter in sein Haus reinregnete, obwohl es irgendwie malerisch aussieht. Aber, wissen Sie, Thomas liebte ich und aus W.O. hab ich mir keinen Heller gemacht. Also war die Sache klar. >Sarah Crowe<, hab’ ich mir gesagt - so hab ich vorher geheißen -, >du kannst ja den Reichen heiraten, aber glücklich wirst du dabei nicht. Ohne ‘n bisschen Liebe kommt man auf dieser Welt nicht zurecht. Halt dich lieber an Thomas, der liebt dich und du liebst ihn, was willst du mehr.< Hü, Schwarzer. Also hab ich Thomas gesagt, ich war mit ihm einverstanden. Von da an hab ich mich nicht mehr an W. O.’s Haus vorbeigetraut aus Angst, ich würd wieder nicht aus und ein wissen, wenn ich sein schönes Haus seh. Aber jetzt denk ich nicht mal mehr daran, ich bin ja rundum glücklich und zufrieden mit meinem Thomas. Hü, Schwarzer.«
    »Wie hat William Obadiah es denn aufgenommen?«, fragte Anne.
    »Och, er hat erst ein bisschen Theater gemacht. Aber jetzt hat er eine aus Millersville und die schnappt ihn sich bestimmt, so schnell es geht. Sie passt besser zu ihm als seine erste Frau. W.O. wollte sie eigentlich gar nicht heiraten. Er hat’s nur gemacht, weil sein Vater es wollte. Er hat sich immer ausgemalt, sie sagt >Nein<. Aber denken Sie mal, sie hat >Ja< gesagt. Da saß er nun in der Patsche. Hü, Schwarzer. Sie war immer furchtbar knauserig. Achtzehn Jahre lang hat sie ein und denselben Hut getragen. Dann hat sie sich ’nen neuen gekauft und W.O. ist ihr über den Weg gelaufen und hat sie nicht wiedererkannt. Hü, Schwarzer. Ich glaub, ich bin nur knapp davongekommen. Hätte ich ihn doch geheiratet, dann säß ich jetzt elend da, wie meine Kusine Jane Ann.Jane Ann hat ’nen reichen Mann geheiratet, der ihr ganz schnurz war, und jetzt ist sie schlimmer dran wie’n Hund. Erst letzte Woche hat sie mich besucht und gesagt: >Sarah Skinnen, sagte sie, >ich beneide dich. Lieber würde ich in einer Hütte hausen, aber dafür mit einem Mann Zusammenleben, den ich gern habe, als in ’nem Palast und mit einem Mann, wie ich einen habe.< Dabei ist Jane Anns Mann gar kein schlechter Mensch, er ist nur so störrisch, dass er den Pelzmantel anzieht, wenn’s Thermometer dreißig Grad zeigt. Man kriegt ihn nur zu was, indem man versucht, ihn zum glatten Gegenteil zu überreden. Aber vertragen tun sie sich nicht und das ist ein Hundeleben. Hü, Schwarzer. Da in der Senke, da wohnt Janet ->Haus am Wegrand< sagt sie dazu. Ist doch hübsch, nicht? Sie sind bestimmt froh, dass Sie endlich aussteigen können, wo all die Postsäcke Sie da so einquetschen.«
    »Ja, aber die Fahrt mit Ihnen hat mir sehr gefallen«, sagte Anne aufrichtig.
    »Ehrlich wahr?«, sagte Mrs Skinner geschmeichelt. »Wenn ich das Thomas erzähl! Er ärgert sich doch immer so, wenn einer mir ’n Kompliment macht. Hü, Schwarzer. So, wir sind da. Ich wünsch Ihnen alles Gute für die Schule, Miss. Da durchs Moor hinter Janets Haus gibt’s ’ne Abkürzung. Aber wenn Sie da langgehen, müssen Sie gut aufpassen. Wenn Sie einmal in dem schwarzen Schlick feststecken, gibt’s kein Entrinnen mehr. Da sind Sie auf Nimmerwiedersehen verschwunden, wie Adam Palmers Kuh. Hü, Schwarzer.«

31 - Anne an Philippa
    »Anne Shirley an Philippa Görden.
    Meine Liebe, es ist höchste Zeit, dass ich dir mal wieder schreibe. Hier bin ich also, in

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