Anne in Kingsport
und einen ganz besonders netten Brief an Roy Gardner geschrieben.
In fünfTagen fand Dianas Hochzeit statt. Das Haus der Barrys war ein einziges Durcheinander vor lauter Backen und Braten und Kochen und Schmoren, denn es sollte eine große Hochzeit werden. Anne war natürlich Brautjungfer, wie sie es schon mit zwölf abgemacht hatten. Gilbert würde aus Kingsport anreisen und Brautführer sein. Anne genoss die Aufregung, aber sie war auch ein bisschen traurig. Sie verlor ihre liebe alte Freundin. Dianas neues Zuhause lag zwei Meilen von Green Gables entfernt, und die regelmäßigen Treffen würde es einfach nicht mehr geben. Anne sah auf das Licht in Dianas Zimmer und dachte daran, wie sie sich immer Zeichen damit gegeben hatten. Bald würde das Licht in Dianas Zimmer nicht mehr leuchten. Zwei große dicke Tränen traten ihr in die Augen.
»Oh«, dachte sie, »wie scheußlich ist es doch, dass der Mensch erwachsen wird . . . und heiratet . . . und alles sich verändert!«
29 - Dianas Hochzeit
Diana stand in ihrem weißen Brautkleid nervös mitten im Zimmer, ihre schwarzen Haare bedeckte ein feiner Brautschleier. Anne hatte den Schleier genau nach den Vorstellungen, wie sie es sich Vorjahren ausgemalt hatten, drapiert. »So habe ich es mir damals vorgestellt, als ich deine Heirat und unsere Trennung betrauert habe«, lachte sie. »Mit dem feinen Schleier siehst du aus wie die Braut meiner Träume, Diana. Und ich bin deine Brautjungfer. Leider habe ich kein Kleid mit Puffärmeln - obwohl mir dies mit dem kurzen Ärmeln mit Spitze sogar noch besser gefällt. Auch bricht es mir nicht vollends das Herz und ein Widerling ist Fred auch nicht.«
»Wir trennen uns doch nicht endgültig«, wandte Diana ein. »Ich ziehe ja nicht weit weg. Wir bleiben doch Freundinnen? Der Treueeid, den wir uns damals geschworen haben, gilt doch auch weiterhin, oder?«
»Ja. Es war eine wunderbare Freundschaft, Diana. Es hat nie Streit oder auch nur ein unfreundliches Wort gegeben. Und so wird es hoffentlich immer bleiben. Aber es wird nicht mehr ganz so wie früher sein. Du hast jetzt andere Dinge im Kopf. >So ist nun mal das Lebe<, wie Mrs Rachel immer sagt. Sie schenkt dir übrigens eine ihrer geliebten Flickendecken, die mit dem »braunen Streifenmuster«, mir will sie zur Hochzeit auch so eine machen.«
»Das Gemeine ist nur, dass ich bei deiner Hochzeit nicht Brautjungfer sein kann«, jammerte Diana.
»Nächsten Juni bin ich noch bei Phil und Jonas Brautjungfer, dann muss es aber gut sein. Denn wie heißt es doch: »Dreimal Brautjungfer, niemals Braut««, sagte Anne und spähte durchs Fenster in den rot und weiß in Blüte stehenden Garten. »Der Pfarrer kommt, Diana.«
»O Anne«, keuchte Diana, wurde kreidebleich und fing an zu zittern. »O Anne ... ich bin schrecklich aufgeregt, ich überlebe es nicht... ich falle gleich in Ohnmacht.«
»Dann schleife ich dich zur Regentonne und lass dich hineinplumpsen«, sagte Anne ohne jedes Mitgefühl. »Nur Mut, meine Liebe. So schlimm kann es auch wieder nicht sein, andere vor dir haben es auch überstanden. Sieh mich an, wie ruhig und gelassen ich bin, also Kopf hoch!«
»Warte ab, bis du an der Reihe bist. O Anne, Vater kommt die Treppe herauf. Gib mir den Strauß. Sitzt der Schleier richtig? Bin ich sehr blass?«
»Du siehst entzückend aus. Liebe Diana, einen Abschiedskuss noch. Von Diana Barry ist es schließlich der letzte.«
»Aber nicht von Diana Wright. Da, Mutter ruft! Komm.« Gemäß dem alten Brauch gingen Anne und Gilbert als erste in die Wohnstube. Oben an der Treppe sahen sie sich das Erste Mal seit Kingsport wieder. Gilbert war erst am selben Tag angekommen. Er gab ihr höflich die Hand. Er sah blendend aus, obwohl er ziemlich abgenommen hatte. Das fiel Anne als Erstes auf. Als Anne in ihrem leichten weißen Kleid und mit Heide in den glänzenden Haaren den dunklen Flur entlang auf ihn zugegangen war, war er leicht rot geworden. Als sie Arm in Arm in die gedrängt volle Wohnstube traten, ging ein bewunderndes Raunen durch den Raum. »Ein wundervolles Paar«, flüsterte Mrs Rachel beeindruckt Marilla zu.
Fred kam, mit hochrotem Gesicht, allein herein, dann betrat Diana am Arm ihres Vaters das Zimmer. Sie fiel nicht in Ohnmacht, und sonst geschah nichts, was die Zeremonie unterbrochen hätte. Dann gab es ein festliches Essen und eine ausgelassene Feier. Am späten Abend fuhren Diana und Fred in ihr neues Zuhause. Gilbert begleitete Anne nach Green Gables. Sie
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