Anne in Kingsport
sie langsam.
»Ich konnte nicht. Sie hat mir das Versprechen abgenommen - Mutter, meine ich. Vor neunzehn Jahren war sie einmal todkrank. Wir dachten schon, sie würde es nicht überleben. Sie hat mich angefleht, ihr zu versprechen, dass ich dich, solange sie lebt, nicht heirate. Ich wollte ihr das Versprechen nicht geben. Aber auf Knien hat sie mich angefleht, krank und leidend, wie sie war. Mir blieb nichts anderes übrig.«
»Was hatte sie gegen mich?«, sagte Janet weinend.
»Nichts ... gar nichts. Sie wollte keine andere Frau im Haus -egal wen. Sie sagte, wenn ich es nicht verspreche, würde sie auf der Stelle sterben, dann hätte ich sie auf dem Gewissen. Also habe ich ihr es versprochen. Von da an hat sie mich darauf festgenagelt, obwohl ich sie auf Knien angefleht habe, das Versprechen für nichtig zu erklären.«
»Warum hast du mir das nie gesagt?«, fragte Janet schluchzend. »Wenn ich es doch gewusst hätte! Warum hast du es mir nie gesagt?«
»Ich musste ihr auch versprechen, dass ich mit niemand darüber spreche«, sagte John heiser. »Auf die Bibel musste ich schwören. Janet, ich hätte es nie getan, wenn ich gewusst hätte, dass es für eine so lange Zeit ist. Du ahnst nicht, wie ich in den ganzen neunzehn Jahren gelitten habe. Ich habe auch dir Leid zugefügt, aber du heiratest mich trotzdem, nicht wahr, Janet? O Janet, nein? Ich bin so schnell ich konnte hierher gekommen.«
Da ging Anne, die ganz bestürzt war, auf, dass sie dort nichts mehr verloren hatte. Sie stahl sich davon und sah Janet erst am nächsten Morgen wieder, die ihr dann den Rest der Geschichte erzählte.
»So ein grausames, hartes, falsches Biest!«, rief Anne.
»Pst - sie ist tot«, sagte Janet ernst. »Wir sollten keine üble Nachrede betreiben. Ich bin endlich glücklich, Anne.«
»Wann findet die Hochzeit statt?«
»Nächsten Monat. Natürlich nur im kleinen Kreis. Das wird ein Gerede geben. Ich hätte nichts Eiligeres zu tun gehabt, wird man sagen, als mir John zu angeln, kaum dass seine Mutter unter der Erde ist. John wollte den Leuten erklären, wie es sich wirklich verhalten hat, aber ich habe gesagt: >Nein, John, wir behalten es für uns und wollen nicht im Nachhinein schlecht über sie reden. Mir ist es egal, was die Leute reden. Es spielt auch keine Rolle mehr. Lassen wir es mit der Toten ruhen<, sagte ich zu ihm. Schließlich konnte ich ihn überreden, es dabei bewenden zu lassen.«
»So viel Nachsicht könnte ich nicht aufbringen«, sagte Anne ziemlich ärgerlich.
»Wenn Sie erst einmal so alt sind wie ich, werden Sie auch vieles mit anderen Augen sehen«, sagte Janet. »Das ist es, was wir mit den Jahren lernen - zu verzeihen. Mit vierzig fällt es einem leichter als mit zwanzig.«
35 - Das letzte Jahr am Redmond
»Da sind wir also wieder, braun gebrannt und voller Elan, wie Läufer vor einem Wettrennen«, sagte Phil und setzte sich mit einem vergnügten Seufzer auf ihren Koffer. »Ist es nicht herrlich, wieder in Pattys Haus zu sein - und bei Tantchen - und den Katzen? Rusty fehlt schon wieder ein Stück am Ohr, oder?«
»Rusty wäre auch ganz ohne Ohren die liebste Katze der Welt«, sagte Anne treu, die auch auf ihrem Koffer saß. Rusty sprang vor lauter Freude auf ihren Schoß.
»Freust du dich nicht, uns zu sehen, Tantchen?«, fragte Phil. »Doch. Aber ihr räumt besser erst die Sachen weg«, klagte Tante Jamesina und sah auf das Durcheinander von Koffern, zwischen denen die vier Mädchen lachend und schwatzend herumstanden. »Unterhalten könnt ihr euch auch später noch. Zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen.«
»Oh, heutzutage ist es genau umgekehrt, Tantchen. Zuerst das Vergnügen, dann die Arbeit. Man kann viel besser arbeiten, wenn man sich vorher so richtig ausgetobt hat.«
»Wenn du einen Pfarrer heiraten willst«, sagte Tantejamesina und nahm Joseph und ihr Strickzeug auf, »dann solltest du wirklich anders denken.«
»Wissen deine Eltern es eigentlich schon?«, fragte Priscilla und gab Katze Sarah ein paar Stückchen aus ihrem Korb.
Phil nickte.
»Wie haben sie es aufgenommen?«
»Oh, Mutter hat getobt. Aber ich bin fest geblieben, ich, Philipps Gorden, die noch nie in ihrem Leben fest zu etwas gestanden hat. Vater hat es ruhig aufgenommen. Sein Vater war auch Pfarrer, er hat nichts gegen einen Pfarrer einzuwenden. Als Mutter sich wieder beruhigt hatte, ist Jo nach Mount Holly gekommen. Sie haben ihn beide ins Herz geschlossen.
Aber Mutter machte dauernd so gemeine Anspielungen,
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