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Anne in Windy Willows

Titel: Anne in Windy Willows Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Maud Montgomery
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unschuldigem Blick vorträgt. Direkt vor meiner Nase lässt sie kleine Zettel durch die Klasse gehen. In meiner Manteltasche fand ich heute eine geschälte Zwiebel. Nur zu gern würde ich dieses Gör bei Wasser und Brot einsperren, damit sie lernt, was sich gehört.
    Das Schlimmste passierte mir, als ich eines Morgens das Klassenzimmer betrat: Sie hatten mich mit weißer Kreide auf der Wandtafel verewigt, die Haare allerdings feuerrot! Niemand hatte etwas damit zu tun, einschließlich Jen. Aber ich weiß ja, dass niemand außer ihr so gekonnt zeichnet - und es war gekonnt! Meine Nase - du weißt, wie stolz ich auf sie bin - war eine Hakennase - und mein Mund wie der einer griesgrämigen alten Jungfer, die ihr Leben lang Pringles unterrichtet hat. Und das sollte ich sein! Mitten in der Nacht schreckte ich aus dem Schlaf, als mir dieses Horrorbild wieder im Traum erschien.
    Und dazu noch beschuldigt man mich, ich würde Hattie Pringles Schularbeiten schlechter benoten, weil sie eine Pringle sei. Und angeblich mache ich mich lustig, sobald jemand einen Fehler macht. (Zugegeben, ich musste neulich lachen, als Fred Pringle sagte, ein Zenturio sei »ein hundertjähriger Mann«). Außerdem erzählt neuerdings einer dem anderen, dass ich ein »Findelkind« sei.
    Auch außerhalb der Schule treffe ich immer häufiger auf Feindseligkeit. Ganz Summerside scheint unter der pringlischen Fuchtel zu stehen, kein Wunder, dass man sie die »Königliche Familie« nennt. Alice Pringle lud mich nicht zu ihrer Party ein. Mrs Frank Pringle veranstaltete ein Kaffeekränzchen zu Gunsten eines kirchlichen Projektes (Rebecca Dew klärte mich darüber auf, dass die Damen die neue Turmspitze »erbauen«!), und ich war die Einzige von allen, die keinen Platz angeboten bekam. Die Frau des Pastors, die gerade erst in Summerside zugezogen ist, hatte angeblich vor, mich zu fragen, ob ich am Kirchenchor teilnehmen wolle. Sämtliche Pringles drohten ihr daraufhin mit ihrem Austritt aus dem Chor, was bedeuten würde, dass er dann nicht weiter bestehen könnte. Natürlich haben auch die anderen Lehrer mal Ärger mit ihren Schülern. Sie schicken sie dann zu mir, damit ich ihnen »Disziplin« beibringe - wie ich dieses Wort hasse! Die Hälfte dieser Schüler ist natürlich Pringles, aber die Lehrer werden merkwürdigerweise in Ruhe gelassen. Neulich ließ ich Jen nachsitzen, um sie ihre Hausaufgaben nachholen zu lassen. Zehn Minuten später fuhr die Kutsche von Maplehurst vor und Miss Ellen erschien auf der Bildfläche: eine geschmackvoll gekleidete alte Dame mit einer fein geschnittenen Nase und einem süßlichen Lächeln auf den Lippen. Sie bat vielmals um Verzeihung, aber sie sei mit Freunden in Lowvale verabredet und habe Jen versprochen, sie mitzunehmen. Jen marschierte triumphierend von dannen - wieder einmal hatten sie es mir gezeigt.
    Manchmal denke ich, die Pringles sind eine Mixtur aus Sloanes und Pyes. Aber ich weiß, dass das nicht stimmt. Ich habe eigentlich die ganze Zeit das Gefühl, dass ich sie mögen könnte, wenn sie mir nicht so feindselig gegenüberstünden. Im Grunde genommen sind sie ein offenes, fröhliches, fest zusammenhaltendes Völkchen. Ich könnte mir sogar vorstellen, Miss Ellen zu mögen. Miss Sarah habe ich bisher noch nie gesehen, sie hat Maplehurst seit zehn Jahren nicht mehr verlassen.
    »Sie ist viel zu vornehm - oder bildet es sich wenigstens ein«, sagte Rebecca Dew gestern verächtlich. »Stolz und nichts dahinter. Alle Pringles sind stolz, aber die beiden schießen den Vogel ab. Sie sollten mal hören, wie die mit ihren Vorfahren angeben. Zugegeben, Captain Abraham Pringles, ihr Vater, war ein feiner alter Kerl. Sein Bruder Myron war nicht ganz so fein, aber den erwähnen sie schließlich auch nur am Rande. Aber ich fürchte wirklich, Sie werden eine harte Zeit mit den Pringles durchstehen müssen. Wenn die sich erst mal ein Bild von jemandem zurechtgelegt haben, rücken sie nicht wieder davon ab. Aber Kopf hoch. Miss Shirley.«
    »Ich hätte so gerne Miss Sarahs Früchtekuchenrezept«, seufzte Tante Chatty neulich. »Es ist ein altes, englisches Familienrezept. Sie hat es mir schon so oft versprochen, aber sie rückt einfach nicht damit heraus.«
    Ich träume neuerdings oft die verrücktesten Sachen, zum Beispiel, dass ich Miss Sarah auf Knien anflehe, mir das Rezept für Tante Chatty auszuhändigen, oder dass ich Jen ermahne, das P und das Q richtig auszusprechen. Dabei wäre es ein Leichtes, ihr das

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