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Anne in Windy Willows

Titel: Anne in Windy Willows Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Maud Montgomery
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ungeschriebenen Gesetze der Schule verstieß, jedenfalls sagte Katherine in bissigem Ton: »Sie bilden sich wohl ein, Regeln gelten nur für andere?« Ein andermal, als ich verschiedene Verbesserungsvorschläge für die Schule machte, erwiderte sie mit einem verächtlichen Lächeln: »Ich interessiere mich nicht für Märchen.«
    Was mich aber am meisten ärgerte, war Folgendes: Eines Tages hob ich im Lehrerzimmer ein Buch auf, auf dem ihr Name stand. Ich sagte: »Ich sehe, Sie schreiben sich mit K am Anfang. >Katherine< mit K sieht viel reizvoller aus als >Catherine< mit C. Mit C wirkt es so steif.«
    Sie sagte nichts, aber als ich das nächste Mal eine Mitteilung von ihr bekam, war sie unterschrieben mit »Catherine Brooke«.
    Ich hätte es längst aufgegeben, mit ihr Freundschaft schließen zu wollen, wäre da nicht dieses unbestimmte Gefühl, dass sich vielleicht unter dieser rauen Schale doch ein weicher Kern verbirgt und sie im Grunde verzweifelt Anschluss sucht.
    Bei all der Feindseligkeit, die sowohl Katherine als auch die Pringles mir entgegenbringen, würde ich hier aufgeben, wenn ich nicht Rebecca Dew hätte, deine Briefe - und die kleine Elizabeth, mit der ich mich inzwischen angefreundet habe.
    Wir lernten uns vor drei Tagen kennen, als ich am Abend das übliche Glas Milch zum Tor brachte und statt »der Frau« Elizabeth selbst kam, um sie entgegenzunehmen. Sie ist ein kleines blasses Ding und machte mit ihren braunen Augen und dem welligen blonden Haar irgendwie einen schwermütigen Eindruck. Sie trug ein hellblaues Kleid, in dem sie sehr empfindsam, fast unterernährt wirkte - nicht etwa körperlich, sondern seelisch.
    »Du bist also Elizabeth?«, fragte ich.
    »Heute nicht«, sagte sie ernst. »Heute Abend bin ich Betty, weil ich heute alles auf der Welt schön finde. Gestern Abend war ich Elizabeth und morgen Abend bin ich wahrscheinlich Beth. Es kommt immer darauf an, wie ich mich gerade fühle.«
    »Eine verwandte Seele!«, durchfuhr es mich.
    »Wie schön, immer andere Namen zu haben, die einem alle selbst gehören.«
    Elizabeth nickte zustimmend: »Ich habe so viele Namen: Elsie und Betty und Bess und Elisa und Lisbeth und Beth. Aber nicht Lizzie; in >Lizzie< könnte ich mich nicht hineinfühlen.« Sie schaute mich ernsthaft an.
    »Wer könnte das schon?«, stimmte ich ihr zu.
    »Großmutter und die Frau finden das albern; Sie auch, Miss Shirley?«
    »Nein, überhaupt nicht. Ich finde es wunderbar«, erwiderte ich.
    Elizabeth sah mich mit großen Augen prüfend an. Dann bat sie mich um einen Gefallen und ich war erleichtert, denn sie würde sicherlich nie jemanden um etwas bitten, den sie nicht mag.
    »Würde es Ihnen etwas ausmachen, den Kater hochzuheben, damit ich ihn streicheln kann?«, fragte sie scheu.
    Dusty Miller strich gerade um meine Beine herum. Ich hob ihn hoch und Elizabeth streckte ihre kleine Hand aus und streichelte zärtlich seinen Kopf.
    »Ich mag Katzen lieber als Babys«, sagte sie fest und sah mich mit einem fast trotzigen Ausdruck an.
    »Wahrscheinlich hast du bisher nichts mit Babys zu tun gehabt, sonst wüsstest du, wie niedlich sie sind«, meinte ich. »Hast du auch eine Katze?«
    »0 nein!«, wehrte sie ab. »Großmutter mag keine Katzen. Und die Frau hasst Katzen. Sie ist heute Abend übrigens ausgegangen, deswegen bin ich selbst gekommen, um die Milch zu holen. Ich freue mich immer, wenn ich die Milch holen darf, weil Rebecca Dew so nett zu mir ist.«
    »Findest du es schade, dass sie heute nicht da ist?«, fragte ich. »Nein. Sie sind auch sehr nett. Ich wollte Sie die ganze Zeit schon kennen lernen, aber ich dachte, vor »Morgen« würde nichts daraus werden.«
    Während Elizabeth an ihrer Milch nippte, erzählte sie mir, was es mit diesem merkwürdigen »Morgen« auf sich hatte. Die Frau hat ihr gesagt, >Morgen< käme nie, aber Elizabeth weiß, dass das nicht stimmt. Irgendwann kommt >Morgen<, sagt sie. Nicht heute, aber morgen. Und dann geschehen wundersame Dinge. Zum Beispiel stellt sie sich vor, dass sich plötzlich das Ende der Welt vor ihr auftut, wenn sie dem verschlungenen Weg zum Hafen hinunter immer weiter folgt -vielleicht ist nämlich die Insel des Glücks das Ende der Welt. Sie glaubt, die Insel des Glücks muss dort sein, wo all die vorbeifahrenden Schiffe vor Anker gehen, und sie braucht nur auf »Morgen« zu warten, um das herauszufinden.
    »Morgen habe ich außerdem eine Million Hunde und fünfundvierzig Katzen«, verkündete Elizabeth. »Das habe

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