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Anne Rice - Pandora

Anne Rice - Pandora

Titel: Anne Rice - Pandora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pandora
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dass mein Vater ihn unbedingt im Hause haben wollte, doch ich schätze, hin und wieder konnte man nicht umhin, den Imperator zu erlesenen Weinen und Speisen einzuladen.
    Ich pflegte mit meiner Kinderfrau im Schlepptau herein-zuschneien und eine zündende Vorstellung zu geben, und dann wurde ich schnell irgendwohin gebracht, wo ich nicht sehen konnte, wie die stolzen römischen Senatoren sich voll stopften mit Pfauenhirn und garum – du weißt bestimmt, was garum ist. Ich meine diese scheußliche Soße, die die Römer so ziemlich über jede Speise gossen, man benutzte sie etwa so wie das heutige Ketchup.
    Jedenfalls zerstörte sie den Eigengeschmack von Aal und Tintenfisch oder Straußenhirn oder ungeborenem Lamm oder von irgendwelchen anderen absurden Delika-tessen, die damals serviert wurden.
    Wie du weißt, verhielt es sich wohl so, dass die Römer in ihrem tiefsten Inneren einen besonderen Hang zu echter Völlerei hatten, und die Bankette nahmen unweiger-lich ein schändliches Ende. Die Gäste begaben sich nach und nach ins vomitorium, wo sie die ersten fünf Gänge des Menüs wieder erbrachen, damit sie die anderen auch noch verschlingen konnten. Und ich lag dann kichernd oben in meinem Bett und lauschte all dem Gelächter und Gewürge.
    Darauf folgte die Vergewaltigung aller Sklaven, die zuvor bei Tisch bedient hatten, gleichgültig, ob es Jungen oder Mädchen waren.
    Die Mahlzeiten in der Familie waren dagegen etwas völlig anderes. Dann stellten wir alte Römer dar. Jeder saß am Tisch; mein Vater war der unumstrittene Hausherr und ließ keine Kritik an Caesar Augustus zu, der, wie du ja weißt, Julius Caesars Neffe war und nach dem Gesetz eigentlich nicht als Imperator regieren durfte.
    »Wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist, wird er ab-treten«, sagte mein Vater. »Er weiß, dass das jetzt noch nicht geht. Sein Ehrgeiz war jedoch nie so groß wie sein Überdruss und seine Einsicht. Wer will schon einen neuen Bürgerkrieg?«
    Und wir erlebten wirklich eine solche Blütezeit, dass kein Mann von Rang an eine Revolte dachte.
    Augustus war ein Garant für den Frieden. Er hatte größte Hochachtung vor dem römischen Senat. Er baute alte Tempel wieder auf, denn er glaubte, dass das Volk die Frömmigkeit brauchte, die es in der alten Republik gekannt hatte.
    Er teilte das Korn aus Ägypten an die Armen aus, so dass niemand in Rom hungern musste. Die alten Feste, Spiele und Schaukämpfe, an denen er festhielt, folgten in Schwindel erregendem Tempo aufeinander – es reichte, um einem wahrhaftig Übelkeit zu verursachen. Doch als patriotische Römer mussten wir oft dabei sein.
    Natürlich ging es in der Arena äußerst grausam zu. Es fanden scheußliche Exekutionen statt. Und es gab die allgegenwärtige Grausamkeit der Sklaverei.

    Doch was die Menschen heute nicht verstehen, ist, dass das alles mit einem Gefühl individueller Freiheit einherging, selbst auf Seiten der Ärmsten.
    Die Gerichte ließen sich Zeit mit ihren Entscheidungen, zogen auch frühere Gesetze zu Rate. Sie richteten sich nach der Logik und dem Gesetzbuch. Die Leute konnten ziemlich offen ihre Meinung sagen.
    Ich weise hier auf etwas hin, das ein Schlüssel für diese Geschichte ist: Wir beide, Marius und ich, wurden in einer Zeit geboren, in der das römische Recht, wie Marius sagen würde, auf der Vernunft beruhte, die im Gegensatz stand zur göttlichen Offenbarung.
    Wir unterscheiden uns vollkommen von den Vampiren, denen die Dunkle Gabe in Ländern verliehen wurde, in denen Magie und Mysterien herrschten.
    Nicht nur, dass wir Augustus vertrauten, als wir noch zu den lebendigen Menschen gehörten, wir glaubten auch an die greifbare Macht des römischen Senats. Wir glaubten an Rechtschaffenheit und Charakterfestigkeit der staatlichen Organe; wir führten ein Leben, in dem Rituale, Gebete und Zauberei keinen Platz hatten, allenfalls nur in sehr oberflächlicher Form. Die Tugend war im Charakter verankert. Dieses Erbe der Römischen Republik teilten Marius und ich.
    Selbstverständlich wimmelte es in unserem Haus von Sklaven. Da gab es Griechen mit brillantem Verstand und ächzende Arbeiter und ein ganzes Geschwader von Frauen, das durchs Haus huschte und Büsten und Vasen abstaubte. Die Stadt erstickte fast an Freigelassenen, von denen einige sogar beträchtlichen Reichtum besa-
    ßen.
    Sie gehörten alle zur Familie, unsere Sklaven.
    Als mein alter griechischer Lehrer starb, saßen mein Vater und ich die ganze Nacht bei ihm. Wir hielten

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