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Anne Rice - Pandora

Anne Rice - Pandora

Titel: Anne Rice - Pandora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pandora
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den Armen ihrer verhungernden Mütter weinen. Aber es ist packend. Man schüttelt den Kopf und kann zugleich in all diesem Sterben schwelgen.
    Ganze Fernsehnächte sind alten Dokumentarstreifen gewidmet, in denen Männer mit dem Gewehr in der Hand in den Tod gehen.
    Ich glaube, wir sehen uns das an, weil wir Angst haben.
    Aber damals in Rom musste man sich das ansehen, um sich abzuhärten, und das galt für Frauen ebenso wie für Männer.
    Allgemein ist jedoch hervorzuheben: Ich wurde nicht eingesperrt wie vielleicht eine griechische Frau in einem alten hellenistischen Hauswesen. Ich hatte nicht unter den Sitten zu leiden, die früher in der Römischen Republik üblich gewesen waren.
    Ich kann mich noch lebhaft an die vollkommene Schönheit jener Tage erinnern, an das von Herzen kommende Bekenntnis meines Vaters, Augustus sei Gott und Rom habe seine Götter niemals zuvor mehr erfreut.
    Nun möchte ich dir von einer besonders wichtigen Erinnerung berichten. Ich will ihr den richtigen Rahmen geben. Als Erstes lass mich auf Vergil zu sprechen kommen, auf sein Epos, die Aeneis, in dem er die Abenteuer seines Helden Aeneas wunderbar beschreibt und rühmt. Aeneas flieht aus Troja, um den Schrecken der Niederlage zu entgehen, denn die Griechen, die aus dem berühmten Trojanischen Pferd gekommen sind, wollen Helenas Stadt vernichten. Es ist eine hinreißende Geschichte. Ich habe sie immer geliebt. Aeneas verlässt das dem Untergang geweihte Troja, nimmt die lange Reise bis ins schöne Italien auf sich und gründet dort unsere Nation.
    Aber was ich eigentlich sagen wollte, ist, dass Augustus Vergil immer sehr geschätzt und unterstützt hat; Vergil war ein hoch geachteter Dichter, ein Dichter, den zu zitieren als schicklich und fein galt, ein anerkannter patriotischer Dichter. Es war vollkommen in Ordnung, wenn man an Vergil Gefallen fand.
    Vergil starb, ehe ich geboren wurde. Mit zehn Jahren hatte ich jedoch schon alles gelesen, was er geschrieben hatte, ebenso Horaz und Lukrez, auch vieles von Cicero und außerdem alle griechischen Schriften, die wir besa-
    ßen, und das waren viele.
    Mein Vater hatte seine Bibliothek nicht eingerichtet, um damit Eindruck zu machen. Die Mitglieder der Familie brachten an diesem Ort Stunden zu. Und er selbst saß dort und schrieb Briefe – was er unaufhörlich zu tun schien –, Briefe, die mit seiner Senatsarbeit in Zusammenhang standen oder mit dem Herrscher, dem kaiserlichen Hof, seinen Freunden und so weiter.
    Zurück zu Vergil. Ich hatte einen weiteren römischen Dichter gelesen, der noch lebte, jedoch bei Augustus, dem Gottkaiser, gefährlich tief in Ungnade gefallen war.
    Dieser Dichter war Ovid, der Autor der Metamorphosen und Dutzender früherer Werke, die bodenständig, lustig und unanständig waren.
    Als Augustus sich gegen Ovid wandte, den er zuvor auch geliebt hatte, war ich noch zu jung, um mich jetzt erinnern zu können; er verbannte ihn an einen furchtba-ren Ort irgendwo am Schwarzen Meer. Vielleicht war er auch gar nicht so furchtbar. Doch es war ein Ort, den kul-tivierte Bürger Roms einfach furchtbar finden mussten –
    sehr weit weg von Rom und nur von Barbaren bewohnt.
    Ovid hat lange dort gelebt, und seine Bücher waren in ganz Rom verboten. Man konnte sie in keiner Buchhandlung kaufen, und auch öffentliche Bibliotheken führten sie nicht. Nicht einmal an den kleinen Buchständen auf dem Marktplatz waren sie zu haben.
    Du weißt, die Zeit war günstig für populäre Literatur; es gab überall Bücher – sowohl in Form von Schriftrollen als auch in gebundener Form –, und viele Buchhändler hielten sich griechische Sklaven, die den ganzen Tag nur damit beschäftigt waren, Bücher abzuschreiben, damit die Bürger Lesestoff hatten. Zurück zum Thema. Ovid war also beim Kaiser in Ungnade gefallen, er war verbannt worden, aber Männer wie mein Vater dachten nicht daran, ihre Ausgabe der Metamorphosen oder sonst eines seiner Werke zu verbrennen, und der einzige Grund, nicht für Ovid Fürsprache einzulegen, war Angst.
    Der ganze Skandal hatte etwas mit Julia, der Tochter des Augustus zu tun, die nach allgemeinen Maßstäben als eine Schlampe galt. Was Ovid mit Julias Liebesaffä-

    ren zu tun hatte, weiß ich nicht. Vielleicht schrieb man seinen frühen, sinnenfreudigen Gedichten, den Amores, einen schlechten Einfluss zu. Außerdem lagen auch während der Regierung des Augustus eine Menge »Reformen« in der Luft, und es gab viel Gerede über »alte Werte«.
    Ich

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