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Anne Rice - Pandora

Anne Rice - Pandora

Titel: Anne Rice - Pandora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pandora
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Galliern. Meine Mutter war dort eine Prinzessin, so hat man mir wenigstens erzählt. Weißt du, wer die Kelten sind?«
    Ich sagte, natürlich wisse ich das, und begann den genauen Wortlaut aus Cäsars Bericht über die Eroberung der Gallier, jenes keltischen Volksstammes, aufzusagen:
    »Gallien ist in drei Teile geteilt …«

    Marius war, wie die anderen Anwesenden auch, wirklich beeindruckt. Also sprach ich immer weiter: »Die Kelten sind von den Aquitanern durch den Fluss Garonne getrennt, und der Stamm der Belgae von ihnen durch die Flüsse Marne und Seine –«
    Mein Vater ergriff leicht verlegen das Wort, weil seine Tochter sich derart in der allgemeinen Aufmerksamkeit sonnte, und versicherte allen Anwesenden, dass ich seine ganze Wonne sei und deswegen ein wenig verwildert und man möge doch, bitte, keinen Anstoß daran nehmen.
    Und ich, die geborene Unruhestifterin, sagte keck:
    »Sendet dem großen Ovid liebe Grüße von mir! Weil ich nämlich auch wünsche, dass er wieder nach Rom zu-rückkommt.«
    Und dann ließ ich einige gewagte Verse aus seinen Amores vom Stapel:

    Sie schenkte lachend mir die glüh’nsten Küsse, Dem Jupiter selbst entglitt sein Donnerkeil, Welch Qual, des Burschen Wonnen nur zu denken.
    Ich wünscht’, dass mind’rer Qualität sein Teil.

    Alle lachten, nur mein Vater nicht, und Marius, der sich fast überschlug vor Entzücken, klatschte Beifall. Mehr Ermutigung brauchte ich nicht, um nun meinerseits auf ihn loszugehen, als wäre ich ein Bär, wie er es vorher bei mir gemacht hatte, und fortzufahren, Ovids unzüchtige Verse aufzusagen:

    Doch mehr, sie küsste besser, als ich’s lehrte, Von neuer Kenntnis schien besessen sie.
    Oh weh, zu viel Geschick bewies ihr Zünglein, Und meine Zunge küsst’ zurück.

    Mein Vater packte mich am Arm und mahnte: »Das reicht jetzt, Lydia, halt den Mund!«
    Daraufhin lachten die anderen Männer noch mehr, legten ihm mitfühlend den Arm um die Schultern und lachten erneut.
    Aber ich musste einen letzten Sieg über diesen Trupp Erwachsener erringen. »Ach, bitte, Vater«, sagte ich,
    »lass mich doch wenigstens mit ein paar weisen, patrioti-schen Worten von Ovid enden:
    ›Ich gratuliere mir selbst, dass ich ausgerechnet in dieser Zeit geboren wurde. Diese Epoche ist ganz nach meinem Geschmack. ‹«
    Marius schien darüber mehr erstaunt als amüsiert.
    Doch mein Vater zog mich zu sich heran und sagte sehr deutlich:
    »Lydia, Ovid würde das heute nicht mehr sagen, und du, da du eine solche … Gelehrte und Philosophin bist, du solltest deines Vaters besten Freunden versichern, dass du sehr gut weißt, dass Ovid aus guten Gründen von Augustus aus Rom verbannt wurde und dass er nicht wieder heimkehren kann.«
    Mit anderen Worten sagte er: »Hör endlich auf mit Ovid.«
    Aber Marius, der sich davon nicht beirren ließ, fiel vor mir auf die Knie – schlank und gut aussehend, mit hypno-tisierenden blauen Augen – und nahm meine Hand und küsste sie und sagte: »Ich werde Ovid herzlich von dir grüßen, kleine Lydia. Doch dein Vater hat Recht. Wir alle müssen das Urteil des Kaisers akzeptieren. Schließlich sind wir Römer.« Dann tat er etwas sehr Merkwürdiges; er sprach zu mir wie zu einer Erwachsenen: »Ich denke, Kaiser Augustus hat Rom mehr gegeben, als wir alle je zu hoffen gewagt haben. Und er ist auch ein Dichter. Er hat ein Gedicht geschrieben, das ›Ajax‹ heißt, und dann hat er es eigenhändig verbrannt, weil er meinte, es tauge nichts.«
    Ich hatte mich noch nie so toll unterhalten. Ich hätte auf der Stelle mit Marius durchbrennen mögen!
    Aber ich konnte nur um ihn herumtanzen, während er durch das Vestibül und das Tor hinausschritt.
    Ich winkte ihm nach.
    Er blieb stehen. »Leb wohl, kleine Lydia«, rief er. Dann sprach er gedämpft mit meinem Vater, und ich hörte, wie der antwortete: »Du bist nicht ganz bei Trost!«
    Mein Vater wandte sich von Marius ab, der mir noch ein trauriges Lächeln zuwarf und dann verschwand.
    »Was wollte er? Was war denn?«, fragte ich meinen Vater. »Was hast du?«
    »Hör mal, Lydia«, antwortete er. »Ist dir bei all deiner Leserei das Wort ›verlobt‹ untergekommen?«
    »Aber sicher, Vater.«
    »Also, dieser Herumtreiber und Träumer hat nichts Besseres im Sinn, als sich mit einem kleinen Mädchen von zehn Jahren zu verloben, weil das bedeutet, dass sie noch nicht alt genug für eine Heirat ist und er auf diese Weise noch jahrelang seine Freiheit genießt, ohne dass der Kaiser etwas dagegen

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