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Anne Rice - Pandora

Anne Rice - Pandora

Titel: Anne Rice - Pandora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pandora
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alt, mit gebeugtem Rücken, sein massiger Kopf schien nur aus Haut und Runzeln zu bestehen.
    »Dein Vater war in jungen Jahren ein Kollege von mir«, sagte er zu mir; er sprach Latein. Er griff nach meinen Armen.
    »Ich habe in eurem Haus gespeist, als du noch ein Säugling warst. Ich habe dich gesehen, als du noch auf allen vieren gekrabbelt bist.«
    »Und weiter?«, warf ich schnell ein.
    »Dein Vater und ich haben zusammen in Athen studiert, wir schliefen unter einem Dach.«
    Die Frauen standen von Panik ergriffen da, die Hände auf den Mund gepresst.
    »Dein Vater und ich, wir waren mit Tiberius auf seinem ersten Feldzug. Wir haben gegen diese schauerlichen Barbaren gekämpft.«
    »Sehr tapfer«, sagte ich.
    Mein schwarzer Umhang rutschte herab und enthüllte meine unordentlichen langen Haare und das einfache Kleid. Niemand störte sich daran.
    »Germanicus hat in diesem Haus gespeist, weil dein Vater mich erwähnt hatte!«
    »Ach je, ich verstehe«, sagte ich.
    Eine der Frauen bedeutete mir mit einer Bewegung, ich solle in die Sänfte steigen. Wo war Jakob geblieben? Der alte Mann wollte mich nicht loslassen.
    »Ich stand mit deinem Vater und Augustus zusammen, als die Nachricht kam, dass der Heerführer Varus und all seine Männer bei dem Massaker im Teutoburger Wald gefallen waren. Meine Söhne haben mit deinen Brüdern in Germanicus’ Legionen gekämpft, als er es diesen nordischen Stämmen heimzahlte! Ach, ihr Götter!«
    »Ja, großartig, wirklich«, sagte ich ernst.
    »Steigt in Eure Sänfte und geht«, sagte eine der Frauen.
    Der alte Mann klammerte sich an mich.
    »Wir haben gegen diesen Wahnsinnigen, den Fürsten Arminius, gekämpft!«, sagte er. »Wir hätten siegen können! Dein Bruder Antonius war auch nicht dafür, auf-zugeben und zurückzukehren, nicht wahr?«
    »Ich … nein …«
    »Schafft sie endlich von hier weg!«, schrie ein junger Patrizier, der ebenfalls geweint hatte. Er trat auf mich zu und schob mich gegen die Sänfte.
    »Zurück, du Trottel!«, herrschte ich ihn an. Ich schlug ihm ins Gesicht.
    Währenddessen hatte Jakob mit den Sklaven gesprochen, um zu erfahren, was eigentlich los war.
    Er tauchte neben mir auf, als der grauhaarige Grieche mich schluchzend auf die Wangen küsste. Jakob nahm die Sache in die Hand und geleitete mich in die Sänfte.
    »Germanicus ist soeben ermordet worden«, flüsterte er mir ins Ohr. »Seine Anhänger sind alle davon überzeugt, dass Kaiser Tiberius den Gouverneur Piso dazu angestif-tet hat. Man hat Gift benutzt. Die Neuigkeit breitet sich in der Stadt wie eine Feuersbrunst aus.«
    »Tiberius, du Schwachkopf!«, flüsterte ich vor mich hin und verdrehte die Augen. »Ein feiger Schritt nach dem anderen!« Ich ließ mich in die Dunkelheit zurückfallen.
    Die Sänfte wurde aufgehoben.
    Jakob fuhr fort: »Gnaeus Calpurnius Piso hat hier na-türlich Verbündete. Jeder kämpft jetzt gegen jeden, will Punkte machen. Chaos. Diese griechische Familie hier kam mit Germanicus nach Ägypten. Es sind schon Unruhen ausgebrochen. Wir verschwinden!«
    »Lebe wohl, mein Freund«, rief ich dem Alten zu, als ich von dem Haus weggetragen wurde. Aber ich glaube nicht, dass er mich gehört hat. Er war auf die Knie gesunken. Er verfluchte Tiberius. Er drohte laut mit Selbstmord und verlangte nach seinem Dolch.
    Dann waren wir wieder draußen und hasteten durch die Straßen.
    Ich lag halb hingesunken in der Sänfte und brütete im Dunkeln dumpf vor mich hin. Germanicus tot. Von Tiberius vergiftet!
    Ich wusste, dass dieser letzte Ausflug des Germanicus nach Ägypten Tiberius sehr erzürnt hatte. Ägypten konnte man mit keiner anderen Provinz vergleichen. Kein Senator durfte dorthin gehen, weil Rom so abhängig von seinen Getreidelieferungen war. Aber Germanicus war gegangen, »nur um die Überreste des Altertums zu sehen«, so hatten seine Freunde in Rom in der Öffentlichkeit erzählt.
    »Eine bloße Ausrede!«, dachte ich verzweifelt. »Wo blieb die Gerichtsverhandlung? Das Urteil? Gift!!«
    Meine Träger schlängelten sich im Eilschritt durch jammernde, schluchzende Menschentrauben. »Germanicus, Germanicus! Gib uns unseren herrlichen Germanicus zurück!«
    Antiochia war dem Irrsinn verfallen.
    Schließlich fanden wir uns in einer kleinen, engen Gasse wieder, kaum mehr als ein Laubengang – du weißt, was ich meine, denn ein ganzes Netz davon wurde in den Ruinen von Pompeji freigelegt. Man roch den Män-nerurin in den Krügen an den Straßenecken. Essensgerüche drangen

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