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Anne Rice - Pandora

Anne Rice - Pandora

Titel: Anne Rice - Pandora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pandora
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häufig im Dunkeln wach und schlief tagsüber, um den Träumen zu entgehen.
    Plötzlich, eines frühen Morgens, hämmerte Jakob an meine Tür.
    Wir fuhren den Orontes hinauf und hatten nur noch die halbe Wegstrecke bis zur Stadt.
    Zwanzig Meilen vor Antiochia. Ich richtete mein Haar, so gut ich konnte (noch nie hatte ich das ohne eine Sklavin getan), steckte es zu einem Knoten im Nacken zusammen, dann verdeckte ich meine römischen Gewänder mit einem großen schwarzen Umhang und bereitete mich darauf vor, von Bord zu gehen – eine Frau aus dem Orient, mit verhülltem Gesicht, unter dem Schutz hebräischer Männer.
    Als die Stadt in Sicht kam – als der riesige Hafen uns grüßte und uns dann mit all seinen Masten, seinem Lärm, den Gerüchen und Rufen umfing –, lief ich aufs Deck und ließ meine Blicke über diese Stadt gleiten. Sie war einfach umwerfend.
    »Seht Ihr!«, sagte Jakob.
    Man brachte mich in einer Sänfte von Bord und trug mich eilig durch die sich an den Kais hinziehenden Märk-te, dann über einen großen offenen Platz, der von Menschen wimmelte. Ringsum sah ich Tempel, Säulengänge, Buchhandlungen, sogar die hohen Mauern eines Amphi-theaters – alles, womit ich in Rom hätte rechnen können.
    Nein, dies war kein Provinznest.
    Die jungen Männer standen Schlange vor den Barbier-läden, um sich den Bart scheren und ihre Stirn mit den unvermeidlichen schicken Löckchen schmücken zu lassen, die Tiberius mit seiner Frisur in Mode gebracht hatte. Überall gab es Weinschenken. Auf dem Sklavenmarkt herrschte dichtes Gewühl. Ich konnte einen Blick in einige Straßenzüge werfen, die bestimmten Handwerken vorbehalten waren – die Straße der Zeltmacher, die Straße der Silberschmiede.
    Und dort, mitten im Zentrum Antiochias, stand in seiner ganzen Pracht der Tempel der Isis.
    Meine Göttin Isis! Und ihre Anhänger kamen und gingen ungehindert und in großer Zahl. Einige sehr würdig aussehende Priester in weißem Leinen standen an den Portalen! Der Tempel glich einem Bienenhaus.

    Ich dachte: Hier kann ich mich vor jeglichem Ehemann verstecken.
    Allmählich machte sich eine große Unruhe auf dem Forum, dem Mittelpunkt der Stadt, bemerkbar. Ich hörte, wie Jakob befahl, die breite Marktstraße zu verlassen und Seitengassen zu benutzen. Die Träger rannten jetzt. Jakob ließ die Vorhänge der Sänfte hinab und versperrte mir damit die Sicht.
    Neueste Nachrichten wurden hier in Latein, Griechisch und Chaldäisch ausgerufen: Mord, Mord, Gift, Verrat.

Ich spähte durch die Vorhänge.
    Leute jammerten und verfluchten den Römer Gnaeus Calpurnius Piso, verfluchten ihn und seine Gemahlin Pla-cina. Warum? Ich mochte beide nicht besonders, aber was hatte das alles zu bedeuten?
    Jakob trieb die Träger aufs Neue zur Eile an.
    Überstürzt hasteten wir durch die Tore in das Vestibül eines größeren Hauses, das sich in Bauweise und Atmosphäre kaum von meinem eigenen in Rom unterschied, nur viel kleiner war. Ich fand hier die gleiche luxuriöse Ausstattung vor und das Peristyl im Hintergrund. Weinende Sklaven standen in Grüppchen zusammen.
    Die Sänfte wurde sofort abgesetzt, und ich stieg aus, sehr betroffen darüber, dass man mich nicht am Tor angehalten hatte, um mir, wie es sich schickte, die Füße zu waschen. Und meine Frisur war auch verrutscht, die Haare hingen in Wellen herab. Aber niemand kümmerte sich um mich. Ich drehte mich im Kreis, bestaunte die orientalischen Vorhänge und Draperien über den Türbögen und die Vögel, die ringsum in ihren kleinen Käfigen saßen und sangen. Gewebte Teppiche bedeckten den Boden, teils in mehreren Lagen übereinander.
    Zwei Frauen, eindeutig Damen des Hauses, kamen auf mich zu.

    »Was ist hier los?«, fragte ich.
    Die beiden wirkten mit ihren goldbestickten Kleidern und den unzähligen Armbändern genauso elegant wie jede reiche Frau in Rom.
    »Ich flehe Euch an«, sagte die eine. »Um Eurer selbst willen, geht! Steigt wieder in Eure Sänfte!«
    Dabei versuchten sie, mich in das verhängte Gelass zu-rückzuschieben. Ich wollte nicht. Ich wurde wütend.
    »Ich weiß nicht einmal, wo ich bin«, sagte ich. »Und ich weiß nicht, wer Ihr seid! Und hört auf, mich herumzu-schubsen!«
    Der Herr des Hauses oder einer, der wie ein solcher auftrat, eilte auf uns zu, Tränen rannen ihm über die Wangen, sein kurzes graues Haar stand zu Berge – zer-wühlt, als wäre er in Trauer. Er hatte seine lange Tunika zerrissen und Schmutz auf seinem Gesicht verschmiert!
    Er war

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