Anne Rice - Pandora
Juwelen? Einige lasse ich hier, damit Ihr sie ebenfalls versteckt, denn sie sind zu wertvoll, als dass Ihr sie schon in den ersten Tagen hier dem Volk vorführen solltet.« Er öffnete eine Schatulle mit Edelsteinen. »Seht Ihr diesen Rubin? Er ist ganz einma-lig. Schaut Euch nur die Größe an. Der könnte Euch für den Rest Eures Lebens ernähren, wenn Ihr ihn, und wäre es nur zur Hälfte seines Wertes, an einen redlichen Händler verkaufen würdet. Jeder Stein in dieser Schachtel ist außergewöhnlich. Ich verstehe etwas von Edelsteinen. Diese hier sind handverlesen, vom Feinsten. Hier, diese Perlen! Vollkommen.« Er legte den Rubin und die Perlen wieder in die Schatulle zurück und schloss den Deckel.
»Ja«, sagte ich schwach.
»Perlen, nochmals Gold, Silber, Besteck …«, murmelte er. »Es ist alles da! Wir sollten gründlicher sein, aber …«
»Ach, nein, ihr habt schon wahre Wunder vollbracht«, erklärte ich.
Ich starrte das Brot und den Weinbecher an. Meines Vaters Weinflasche. Meines Vaters Amphoren in diesem Raum.
»Pandora«, wandte sich Jakob sehr ernst zu mir. »Hier habe ich die Übertragungsurkunde für dieses Haus in der Hand. Und noch ein Dokument, in dem Eure offizielle Ankunft in diesem Hafen dokumentiert wird; es ist auf Euren neuen Namen ausgestellt, Julia Soundso von Soundso. Pandora, wir müssen nun fort.«
Der alte Mann schüttelte den Kopf und biss sich auf die Lippen.
»Wir müssen weitersegeln, nach Ephesus, Kind«, fügte er hinzu. »Ich schäme mich, weil ich Euch verlassen muss, aber der Hafen wird schon bald blockiert sein!«
»Es brennen schon Schiffe im Hafen«, murmelte Jakob.
»Auf dem Forum haben sie das Standbild des Tiberius niedergerissen.«
»Die Übergabe ist vollzogen«, sagte der Alte zu mir.
»Der Mann, der das Haus verkauft hat, hat Euch nie gesehen und kennt Euren richtigen Namen nicht, und hier gibt es keinerlei Hinweise mehr darauf. Die Sklaven, die Euch hierher brachten, gehörten ihm auch nicht.«
»Ihr habt wirklich Wunder für mich gewirkt«, sagte ich.
»Ihr seid jetzt auf Euch selbst angewiesen, meine schöne römische Prinzessin«, sagte Jakob. »Es tut mir in der Seele weh, Euch so zurücklassen zu müssen.«
»Es geht nicht anders«, fügte der Alte hinzu.
»Ihr solltet drei Tage nicht ausgehen«, empfahl Jakob, dabei näherte er sich mir, als wollte er entgegen allen Regeln zum Abschied meine Wangen küssen. »Hier sind genügend Legionen stationiert, sie könnten den Aufruhr ersticken; aber ich schätze, anstatt römische Bürger ab-zuschlachten, werden sie einfach abwarten, bis das Feuer von allein in sich zusammenfällt. Und denkt nicht mehr an diese griechischen Freunde. In ihrem Haus herrscht schon das Inferno.«
Sie wandten sich zum Gehen.
»Seid ihr für eure Mühen gut entlohnt worden?«, fragte ich. »Wenn nicht, dann nehmt freimütig von dem Gold hier. Ich bestehe darauf!«
»So etwas dürft Ihr nicht einmal denken«, erwiderte der alte Mann. »Um Euer Gewissen zu beruhigen, solltet Ihr dies wissen: Euer Vater setzte zwei Mal auf mich, nachdem Piraten meine Schiffe in der Adria gekapert hatten.
Euer Vater hat sein Geld in mich investiert, und ich habe Profit genug für uns beide gemacht. Und jene griechische Familie schuldete Eurem Vater Geld. Macht Euch um diese Dinge keine Gedanken mehr. Aber wir müssen jetzt fort!«
»Gott sei mit Euch, Pandora«, sagte Jakob.
Edelsteine. Wo waren die Edelsteine? Ich sprang auf und öffnete die Schatulle. Da waren Hunderte, makellos, blendend klar und hervorragend geschliffen. Ich erkannte ihren Wert, ihre Reinheit und die Sorgfalt des Schliffs. Ich nahm den großen, eiförmigen Rubin, den David mir gezeigt hatte, und noch einen zweiten, ähnlichen und streckte sie den Männern entgegen.
Sie hoben abwehrend die Hände.
»Oh, ihr müsst sie nehmen«, beschwor ich sie. »Er-weist mir diese Ehre. Bestätigt mir damit, dass ich eine freie Römerin bin und dass ich überleben werde, wie mein Vater mir befahl! Es wird mir Mut machen! Nehmt das von mir an.«
David schüttelte unnachgiebig den Kopf, doch Jakob nahm den Rubin.
»Hier, Pandora, die Schlüssel. Folgt uns bis zum Tor an der Straße, und schließt es hinter uns ab, und dann auch die Türen zum Vestibül. Habt keine Angst. Es gibt überall Lampen im Haus. Und genug Öl –«
»Geht!«, sagte ich zuihnen, als sie über die Schwelle schritten. Ich verschloss das Tor, klammerte mich an die Gitterstäbe und sah sie an. »Wenn ihr
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