Annies Entscheidung
hätten dir längst die Wahrheit sagen sollen, Riley.“
„Mom kann keine Kinder bekommen, weißt du“, begann Riley mit versagender Stimme. „Deshalb wollte sie mich auch nach Bendlemaier schicken. Ich sollte nur das Beste bekommen.“
Annie nickte, obwohl sie es nicht gewusst hatte. Noelle war hübsch, kultiviert und sehr intelligent. Eine erfolgreiche Anwältin. Aber sie hatte Riley immer vergöttert.
Wenn sie gekonnt hätte, hätte sie Will ein Haus voller Kinder geschenkt.
„Warum besuchst du uns so selten?“ fragte das Mädchen. „Und warum wolltest du unbedingt, dass ich Turnabout sofort wieder verlasse?“
Warum hast du mich nicht genug geliebt?
Es war ihre eigene Stimme, die Annie hörte. Die Frage, die sie selbst immer wieder gestellt hatte. Auf die sie nie eine Antwort erhalten würde. Nicht von George und Lucia.
„Weil es so wehtat, dich zu sehen“, gestand sie, und ihre Ehrlichkeit zerriss ihr fast das Herz. „Und dich wieder zu verlieren. Egal, was ich fühle, Riley, du gehörst zu deinen Eltern. Sie haben dich großgezogen. Sie haben dich immer geliebt.“
Annie versuchte, tief durchzuatmen, doch als sie die Tränen aufsteigen fühlte, schluckte sie mühsam. „Und ich weiß, dass du sie auch liebst. Sonst würdest du nicht so leiden.“
Rileys Schweigen schien endlos zu dauern. Schließlich berührte sie Annies Fingerspitzen mit ihren. „Kann ich wiederkommen und dich besuchen?“ fragte sie leise.
Annie nickte.
Dann breitete sie die Arme aus. Riley sprang auf, eilte um den Tisch, setzte sich auf Annie Schoß und schmiegte sich an sie.
Und einmal mehr fragte Annie sich, wie oft einem Menschen das Herz brechen konnte.
„Riley ist bereit, nach Hause zu fahren.“ Annie blieb auf der Couch sitzen, als Logan später am Nachmittag hereinkam. „Sobald du es arrangieren kannst. Sie wird nicht wieder weglaufen.“
Mit dem Absatz stieß er die Tür ins Schloss und stellte den Heizlüfter und die Trommel mit dem Verlängerungskabel ab. Sie würde ihn an den kleinen Generator anschließen können, den er nach längerer Suche in dem Chaos auf Diegos Werft gefunden hatte. „Bist du okay?“
„Nein.“ Ihre Stimme klang, als wäre sie erkältet. Oder als hätte sie geweint.
„Aber ich werde es überleben. Das kann ich am besten.“
„Guter Versuch“, murmelte er. „Es gibt Dinge, die du viel besser kannst.“
„Das Unmögliche wollen, zum Beispiel?“ Seufzend hob sie endlich den Kopf und sah ihn an. „Sam hat diese Nachricht für dich vorbeigebracht.“ Sie hielt ihm einen Zettel hin. „Offenbar ist sie vorhin über Funk gekommen.“
Er nahm ihn und steckte ihn in die Tasche.
„Du willst sie nicht lesen?“
Logan schüttelte den Kopf.
„Zwei Tage. So lautet sie. Das ist alles. Zwei Tage.“
Die Nachricht interessierte ihn nicht. „Wo ist sie?“
Sie brauchte nicht zu fragen, wen er meinte. „Bei Maisy. Sie wollte bei der Betreuung der Kinder helfen. Ich glaube, sie… braucht etwas Distanz.“
„Also hast du mit ihr gesprochen?“
„Ja.“ Ihre Miene war viel zu starr.
„Und über Drago. Dass du glaubst, dass du mit Ivan Mondrago zusammen warst.
Dass er Rileys leiblicher Vater ist.“
Sie ballte die Hände zu Fäusten. „Wer sonst?“
Logans Brust schmerzte. „Und das hast du Riley gesagt?“
„Sie hat nicht nach Drago gefragt. Gott weiß, was genau Lucia ihr erzählt hat.“
Sie stand auf und bemerkte den Heizlüfter. „Wofür ist der?“
„Er wird dich nachts warm halten. Ich habe einen Generator aufgetrieben. Er steht vor der Haustür.“
Sie senkte den Blick. „Du könntest mich wärmer halten.“ Nach einem Moment lachte sie bitter und wedelte mit der Hand. „Danke. Ich weiß, es wäre einfacher, wenn ich im Bürgerhaus bleiben würde, aber…“
„Du willst hier sein.“ Weil es das Zuhause war, das sie sich selbst geschaffen hatte.
Annie nickte. „Ich muss dir danken. Du hast mich davor bewahrt, dem armen Jungen etwas Schlimmes anzutun. Ich wollte nicht, dass Riley so etwas passiert.“
„Was sollte Riley nicht passieren?“
„Ich habe Drago nie gesagt, dass ich mit ihm schlafen würde. Ich habe niemandem gesagt, dass ich mit ihm schlafen würde. Alle haben nur gesehen, wie ich mich kleidete und wie ich mich benahm… und nahmen immer an, dass ich… Das machte meine Eltern wütend, also habe ich es zugelassen. Die Jungs…
ich habe keinem von ihnen je etwas versprochen.“
„Ich weiß.“
Aber sie hörte ihm nicht mehr zu.
Weitere Kostenlose Bücher