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Annika Bengtzon 09: Weißer Tod

Annika Bengtzon 09: Weißer Tod

Titel: Annika Bengtzon 09: Weißer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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danke.«
    Ellen machte große Augen und hielt auf halbem Weg zum Mund mit dem Joghurtlöffel inne.
    »Warum tun die das denn?«
    »Die sind eben Fans«, sagte Kalle. »Sie lieben ihre Mannschaft.«
    Annika sah Kalle warnend an.
    »Liebe?«, sagte sie. »Zeigt man die Liebe zu einer Mannschaft, indem man die Spieler mit Feuerwerkskörpern bewirft?«
    Kalle zuckte mit den Schultern.
    »Mir tun die Fans leid«, sagte Annika. »Was für ein langweiliges Leben die haben müssen. Stell dir vor, sie haben nichts anderes gefunden, wofür sie sich begeistern können, nicht in der Schule oder bei der Arbeit, können sich nicht für einen anderen Menschen oder eine politische Vereinigung begeistern. Stattdessen lieben sie Hockey. Das ist doch tragisch.«
    Kalle verschlang den letzten Rest Rührei und leerte seinen Becher mit O’boy.
    »Ich bin jedenfalls Djurgården-Fan«, sagte er.
    »Und ich halte zu Hälleforsnäs«, erwiderte Annika.
    »Ich auch«, sagte Ellen.
    Sie hatten den ganzen Morgen noch nicht nach ihrem Papa gefragt. Sie fand es nicht nötig, ihn jetzt zu erwähnen – was sollte sie auch sagen? Die Kinder putzten sich die Zähne und zogen sich an, ohne dass Annika sie daran erinnern musste.
    Ausnahmsweise machten sie sich rechtzeitig auf den Weg.
    Es war wieder milder geworden. Die Wolkendecke war dick und farblos. Es roch nach Feuchtigkeit und Abgasen. Der Schnee auf den Straßen sah aus wie Braunkohle.
    Die American International Primary School of Stockholm lag auf dem Weg zur Zeitung, gleich hinter dem Kungsholmer Gymnasium. Sie begleitete die beiden bis zum schmiedeeisernen Zaun an der Straße, umarmte Ellen hastig und sah die Kinder durch die massive Eichentür verschwinden. Sie blieb stehen und spürte, wie Jungen und Mädchen und Mütter und Väter in einem beständigen, mächtigen Strom an ihr vorüber durch das Tor rauschten. Sicher gab es auch hier und da eine harte Hand und ein gereiztes Wort, vor allem aber gab es Liebe, Toleranz und Geduld, Stolz und unendliches Wohlwollen. Sie blieb, bis der Fluss versiegte und ihre Zehen kalt wurden.
    Es war eine gute Schule, auch wenn ein Großteil des Unterrichts auf Englisch abgehalten wurde.
    Es war wahrlich nicht ihre Idee gewesen, die beiden auf diese Schule zu schicken. Als sie alle nach Hause zurückkamen, hatte Thomas darauf bestanden, dass die Kinder weiterhin auf Englisch unterrichtet wurden. Etwas, woran sie ausgemachte Zweifel hatte. Die Kinder waren Schweden, und sie würden in Schweden leben, warum sollte man die Sache so verkomplizieren? Sie konnte seine Stimme über den Bürgersteig hallen hören:
    »Wieso denn verkomplizieren? Sie lernen ja im Mutterspra­chenunterricht Schwedisch. Was ist das für eine tolle Gelegenheit, zweisprachig aufzuwachsen! Ermögliche ihnen doch, sich den Vorsprung zu erhalten, den sie sich verschafft haben.«
    Sie hatte nachgegeben, allerdings nicht wegen der phantastischen Internationalisierung der Kinder (ehrlich gesagt, war ihr das völlig egal), sondern wegen ihrer Erfahrungen mit den gewöhnlichen, städtischen Otto-Normalverbraucher-Schulen. Kalle hatte vor allem ziemlich unter den verzogenen kleinen Monstern von Klassenkameraden gelitten, die ihren unbändigen Geltungsdrang gerne auf Kosten von anderen auslebten, am liebsten von jemandem wie Kalle, der sich nicht in den Vordergrund drängte.
    Der Gedanke traf sie wie ein Schlag auf den Kopf: Was sollte sie tun, wenn Thomas nicht zurückkam?
    Sie musste sich an einer Hauswand abstützen und sich darauf konzentrieren, regelmäßig zu atmen.
    Sollte sie die Kinder weiter auf diese Schule schicken, wie Thomas es wollte, oder sollte sie eine andere Entscheidung treffen? Sollte sie sein Andenken ehren und die Jugend der Kinder von seinem Entschluss prägen lassen? Es läge in ihrer Verantwortung. Sie wäre die einzige Erziehungsberechtigte. Hier ging es um ihr Leben und das der Kinder …
    Sie lehnte sich mit dem Rücken an die Hauswand und schloss die Augen.
    Als sie die Eingangshalle der Zeitung betrat, wusste sie nicht, wie sie dorthin gekommen war. Rechts von ihr schaukelte der Empfangstresen wie ein Schiff im Nebel, auf wundersame Weise gelang es ihr, von irgendwo den Hausausweis hervorzuholen, und sie segelte auf einer Sturzwelle vorüber.
    Berit war noch nicht eingetroffen.
    Die Redaktion war noch da, eine Tatsache, die Annika mit einer Art beruhigender Sanftmut erfüllte. Es roch nach Papierstaub, Verlängerungskabeln und angebranntem Kaffee.
    Sie packte ihren

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