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Annika Bengtzon 09: Weißer Tod

Annika Bengtzon 09: Weißer Tod

Titel: Annika Bengtzon 09: Weißer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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einen schnellen Blick auf die Reporterin neben sich. Sie sah aus wie ein ungemachtes Bett.
    Im Zusammenhang mit der Hochzeit der Kronprinzessin vor gut einem Jahr hatte er in der Redaktion eine neue Kleiderordnung eingeführt. Zerrissene Jeans, schenkelkurze Miniröcke, ver­waschene Sweatshirts und Ausschnitte bis zum Bauchnabel waren tabu, stattdessen wurde ein gewisses Maß an Stil erwartet. Annika hatte nicht sehr viele Stücke ihrer Garderobe austauschen müssen. Sie trug normalerweise recht geschmackvolle Markenkleidung, aber trotzdem schaffte sie es, darin auszusehen, als wäre sie nur aus Versehen hineingeraten. Des Öfteren kam es ihm so vor, als hätte sie ein Hemd ihres Mannes angezogen, ohne es zu merken. Heute war es noch schlimmer als sonst. Sie trug ein Hemd und darüber einen Pullunder, wie er zu Schymans Gymnasialzeit modern gewesen war.
    Die meisten Leute nahmen zu, wenn sie längere Zeit in Amerika waren, nicht so Annika. Sie war womöglich noch eckiger und knochiger geworden. Wäre ihr recht attraktiver Busen nicht gewesen, hätte man sie leicht für einen langhaarigen jungen Kerl halten können.
    »Diese Frau, die tot vor dem Kinderhort in Hägersten lag«, sagte sie, »die hatte ihren Mann wegen schweren Frauenfriedens­bruchs angezeigt, aber die Ermittlungen wurden eingestellt, weil die Taten verjährt waren.«
    »Vergessen Sie Ihre Handschuhe nicht«, sagte Schyman und zeigte auf einige Sachen, die aus ihrer Handtasche gefallen und auf dem Boden des Taxis gelandet waren. Er ging zum Eingang, drückte auf die drei Kronen aus patiniertem Messing links vom Portal, und schmatzend glitt die Tür auf. Annika stieg drei Schritte hinter ihm die weiße Marmortreppe hinauf und folgte ihm durch das weiße Marmorfoyer mit seinen Säulen und Kreuz­ge­wöl­ben zur Anmeldung ganz hinten links. Aus den ­Augen­winkeln sah er, wie sie stehen blieb und die Statuen an der Wand betrachtete.
    Mit einem plötzlichen Stich von Sehnsucht in der Brust erinnerte er sich an seine Zeit als Politikreporter, daran, wie in den Gebäuden rund um Rosenbad aufgemerkt wurde, wenn er mit seinem Fernsehteam ankam (mit großen Schritten, eigentlich im Laufschritt). Wie Politiker und Wirtschaftsreferenten und Pressesekretäre seinen Namen mit Respekt und manchmal sogar mit Angst erwähnten. Und was machte er heute?
    Er warf Annika einen Seitenblick zu.
    »Ihren Ausweis«, sagte er.
    Sie schlenderte zum Empfang und warf ihren Führerschein auf den Tresen.
    Personalscheucher, das war er jetzt, und Cashcow für die Eigentümerfamilie. Ausbeuter der Gegenwart, Entdeckungsreisender in den entlegensten Niederungen des Journalismus.
    Alien Hand Syndrome .
    Die Empfangsdame war ein junges Mädchen, das sich alle Mühe gab, Seriosität auszustrahlen. Sie hatte die Haare zu einem strammen Knoten zusammengefasst und trug einen Schlips. Ein wenig näselnd bat sie ihn, sich auszuweisen, und studierte sorgfältig seinen Presseausweis, offenbar kannte sie ihn nicht. Vermutlich gehörte sie zu denen, die sich nicht für gesellschaftliche Themen interessieren. Das Mädchen tippte etwas in einen Computer, griff zum Telefon, um Schymans und Annikas Genehmigung zu überprüfen, und schickte sie dann geradeaus die Treppe hinauf zu den Aufzügen.
    Vielen Dank auch, den Weg kannte er.
    »Wir nehmen den rechten«, sagte Schyman. »Der linke ist ein Lastenaufzug, der hält auf jeder halben Etage.«
    Die Reporterin wirkte kein bisschen beeindruckt von seiner Ortskenntnis.
    *
    Das war sie also.
    Thomas’ ach so bedeutende Arbeitsstelle.
    Annika vermied es, sich im Spiegel anzusehen.
    Sie war noch nie hier gewesen. Hatte ihn nie vom Büro abgeholt, nie einen Kaffee in der Personalkantine getrunken, ihn nie mit Theaterkarten oder einem Kinobesuch mit Pizza danach überrascht.
    Thomas hatte sich mit dem Staat eingelassen, und ihre Aufgabe war es, diesem Staat auf die Finger zu sehen.
    Im fünften Stock stiegen sie aus, auf der Etage direkt unter der Kanzlei des Ministerpräsidenten. Thomas hatte sein Büro in ­einem anderen Stockwerk, unten im dritten. Jedes Mal, wenn er oben im fünften gewesen war, berichtete er davon beim Mittagessen in besonders respektvollem Ton. Dort saßen die Mächtigen: der Minister, der Staatssekretär, die Rechts- und Verwaltungsdirektoren, die Ministerialdirektoren und die politischen Sachverständigen. Weiße Wände, dicker hellgrauer Teppichboden, Türen, die einen Spalt offen standen. Es lag Macht in der Luft und es roch

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