Anonyme Untote - Eine Zombie-Liebesgeschichte
schon allein das Wort »Kuh« ist für mich schwer genug auszusprechen. Außerdem bin ich genau genommen gar kein Mensch.
»Ik swizze.«
Rita Lippen verziehen sich zu einem seltsamen Lächeln. »Sag mir, ob dich das zum Schwitzen bringt.«
Sie nimmt meine rechte Hand und legt sie auf ihre Brust. Ich spüre, wie ihre Nippel unter meinen Fingern hart werden und die weiche Fülle ihres Busens unter dem Druck meiner Hand nachgibt. Je länger sie meine Hand festhält, desto schwerer fällt es mir, sie nicht unter ihre Bluse zu schieben.
Doch ich spüre noch etwas anderes, eine schwache Vibration, alle fünf oder zehn Sekunden. Ich presse meine Hand fester gegen ihre Brust und lasse sie dort, vergesse ihren Busen und ihre Nippel und warte die nächste Vibration ab. Als ich den Blick hebe, sehe ich, dass Rita Tränen in den Augen hat.
Ihr Herz hat wieder angefangen zu schlagen.
KAPITEL 35
Es geschieht nicht oft, dass man seine Haltung gegenüber so etwas Grundsätzlichem wie dem Glauben an eine höhere Intelligenz überdenkt. Eine allmächtige Gottheit. Ein übergeordnetes Wesen.
Aber nur eine höhere Intelligenz kann dafür verantwortlich sein, dass Atmer so gut schmecken. Nur eine allmächtige Gottheit kann bewirken, dass Menschenfleisch diese heilende Wirkung hat. Nur ein übergeordnetes Wesen verfügt über die nötige Ironie, es den Untoten zu ermöglichen, die Lebenden zu imitieren, indem sie sie verspeisen.
Um etwas darüber herauszufinden, bin ich hier.
Nicht dass ich versuche, jemanden zu imitieren. Ich habe immer noch Nähte, die kreuz und quer über mein Gesicht laufen, und einen staksigen Gang, der Frankensteins Monster wie einen Tänzer im Joffrey Ballet erscheinen lässt. Aber wenigstens kann ich auf den hinteren Reihen der Congregational Church of Soquel sitzen, ohne dass jemand anfängt, zu keuchen oder zu schreien, oder angewidert sein Gesicht verzieht.
Das ist nicht gerade die Art von Bestätigung, bei der einem normalerweise warm ums Herz wird, aber ich nehme, was ich kriegen kann.
Mittwochabends finden keine Gottesdienste statt, so dass ich es nicht mit einer Kirche voller Gemeindemitglieder
aufnehmen muss. Es sind lediglich einige wenige Atmer hier, und man wird eher selten von jemandem behelligt, wenn man den Kopf zum Gebet gesenkt hat. Aber zum Beten bin ich nicht hier.
Nachdem ich erlebt habe, wie Ritas Herz auf wundersame Weise wieder begonnen hat zu schlagen, habe ich mich gefragt, ob hier möglicherweise eine unerklärliche religiöse Kraft am Werk war. Sämtliche Wunder, die ich kenne, werden entweder Gott oder Jesus zugeschrieben, darum dachte ich mir, ich gehe der Sache mal nach und finde heraus, ob ich an die Möglichkeit glaube, dass ein übernatürliches Wesen für unseren Heilungsprozess verantwortlich ist. Nicht dass ich nach einer Bestätigung oder nach Ausflüchten suche. Es geschieht mehr aus Neugier. Nur für den Fall, dass ich mich die ganze Zeit geirrt habe.
Ich rechne nicht damit, dass ich an einer Offenbarung teilhabe, dass ich vom Blitz getroffen werde oder Gott zu mir spricht. Ich bin einfach nur hier, um zu klären, ob ich irgendwas verpasst habe. Denn wenn man Menschenfleisch isst, macht man sich doch ein paar Gedanken über die ewige Verdammnis, obwohl man nie an Gott oder den Himmel geglaubt hat.
Trotz des guten Geschmacks von Menschenfleisch nimmt man es nicht einfach so hin, ein Kannibale zu sein. Ich bin mir sicher: Wenn das in der Gesellschaft, in die man hineingeboren wurde, Teil der Kultur ist, ist das für einen so normal wie für einen Piranha, sich über eine ertrinkende Kuh herzumachen. Doch wenn man mehr als dreißig Jahre seiner Existenz als Allesfresser verbracht, mit seinen Freunden und Nachbarn Dinnerpartys und Grillfeste veranstaltet hat und sich dann plötzlich fragt, wie die Freunde und Nachbarn zwischen zwei Brötchenhälften,
mit etwas Senf und Ketchup und einer Tomatenscheibe dazu wohl schmecken würden, braucht man eine gewisse Zeit, um sich daran zu gewöhnen.
Was wahrscheinlich der Grund dafür ist, dass Ray uns auf so spezielle Weise an den Verzehr von Menschenfleisch herangeführt hat.
Hätte ich genau gewusst, was ich da esse, hätte ich mich wohl nicht mit so viel Begeisterung darauf gestürzt. Aber wie schon gesagt, ich glaube, selbst beim ersten Glas Menschenfleisch wusste ich bereits, worum es sich handelt. Nur wollte ich diese Möglichkeit einfach nicht in Betracht ziehen. Ich wollte das Fleisch in seliger Unwissenheit
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