Ans Glueck koennte ich mich gewoehnen
zwischenmenschlichen Beziehungen handelt es sich also nicht nur um eine kulturelle Lebensform, auf die wir eventuell auch verzichten könnten. Beziehungen sind nicht nur für unser Seelenleben da, sie sind auch ein wichtiger Faktor für unsere Gesundheit. Das System von Spiegelneuronen zeigt, dass unser Gehirn spezialisierte Systeme besitzt, die auf Beziehungen angelegt sind. Es ist heute erwiesen, dass dort, wo zwischenmenschliche Beziehungen quantitativ und auch qualitativ abnehmen, Gesundheitsstörungen zunehmen. Arbeitsmedizinische Studien zeigen, dass die sogenannten soft facts , die Arbeitsbedingungen, die sowohl mit Beziehungsgestaltung als auch mit der Regulation von Stress zu tun haben, eine der Hauptursache von Erkrankungen am Arbeitsplatz sind.
In Zeiten von Finanzkrise und Globalisierung fusionieren Unternehmen, Firmen frieren Gehälter ein, kündigen Mitarbeitern oder verhindern Aufstiegschancen. Immer mehr Menschen empfinden eisige soziale Kälte und vermissen eine angemessene Wertschätzung ihrer Arbeit. Obwohl viele Menschen immer mehr arbeiten, bleibt die erhoffte Wertschätzung aus, was oft zu einer latenten Selbstunsicherheit führt. Um diese Unsicherheit auszugleichen, wächst der Anspruch an sich selbst, was zu noch mehr Arbeit führt. Es kommt zu Erschöpfung, Versagensangst, Schlafstörungen – die Stress-Spirale dreht sich. Mögliche Folgen: Herzinfarkt, Depression, Burn-out.
Ist die Erkrankung erst mal da, fragen wir natürlich nach den Ursachen. Nicht selten beantworten wir uns die Frage damit, dass wir sagen: »Das liegt wohl in der Familie. Schon der Vater hatte mal was mit dem Herzen, oder die Großtante war Zeit ihres Lebens auch ganz schön depressiv.«
Aber nicht nur die Gene eines Menschen steuern, sondern auch sie werden gesteuert. Die Vorstellung, dass wir mit einem festgelegten und starren Genprogramm zur Welt kommen, welches dann unser gesamtes Leben steuert und programmiert, ist falsch. Auch Gene werden durch Ereignisse, Erlebnisse, durch Lebensformen und Lebensstile beeinflusst. Nicht nur die Struktur des Gehirns kann dadurch verändert werden, sondern auch die Regulation der Gene: Unter Regulation verstehen wir die Aktivierung beziehungsweise Deaktivierung der Genaktivität durch Signale, die von außen oder aus dem Körper selbst kommen. Äußere Einflüsse sind nicht nur Nahrung, Klima oder Umweltverschmutzung, sondern auch Erlebnisse und psychische Einflüsse, die vom Gehirn in bioelektrische Impulse und freigesetzte Botenstoffe umgewandelt werden. Damit macht das Gehirn aus jedem psychischen Vorgang einen biologischen Vorgang.
Die Frage ist also nicht, Anlage oder Umwelt, angeboren oder anerzogen, Natur oder Kultur – denn beide funktionieren nur zusammen. Durch unsere zwischenmenschlichen Beziehungen wirken wir entscheidend daran mit, was sich biologisch in uns abspielt. Die Hirnforschung hat gezeigt, dass Erlebniseindrücke in biologische Signale umgewandelt werden. Damit kann sich der Körper sowohl an Umweltbedingungen als auch an akute Situationen anpassen. Aber auch belastende zwischenmenschliche Erfahrungen oder Stress aktivieren Gene, die das Gehirn schädigen können. Menschen, die längere Zeit seelisch belastet sind, schütten vermehrt Cortisol im Körper aus, was zur Schädigung von Nervenzellen führen kann.
Der Stressforscher Robert Sapolsky von der Stanford University erforschte die Folgen von Beziehungsstress bei Menschenaffen. Tiere, die in einer Horde stark belastenden Beziehungen ausgesetzt waren, zeigten vor allem in der Hirnstruktur des Hippocampus Veränderungen. Der Hippocampus spielt in Bezug auf das Gedächtnis eine große Rolle.
Aber nicht nur bei Affen, sondern auch bei Menschen kann Ähnliches beobachtet werden: Schon im Jahre 1976 wies der norwegische Arzt Finn Askevolt darauf hin, dass bei Seeleuten, die sich während des Zweiten Weltkrieges längere Zeit in Todesgefahr befanden und damit auch körperlichem Stress ausgesetzt waren, schwere Gedächtnisstörungen und Verminderungen der Hirnsubstanz zu beobachten waren.
Seelischer und körperlicher Stress wirken sich also auch auf unser Gehirn aus. Da das Gehirn plastisch veränderbar ist, kann es sogar so weit verändert werden, dass es gar nicht mehr in der Lage ist, bestimmte Leistungen zu erbringen.
Wir alle kennen beispielsweise die sogenannten »eingefleischten Junggesellen«. Meine Oma sagte immer bei Männern über 35: »Bei dem wird das nichts mehr mit dem Heiraten. Der tut nur
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