Ans Glueck koennte ich mich gewoehnen
mich nicht verstanden.
Wenn ich über die Anerkennung meiner Tochter nachdenke, fühle ich manchmal ein Unbehagen. Nicht selten, wenn wir beispielsweise in Restaurants essen waren, beobachtete ich, wie meine Tochter unruhig wurde, sobald kleinere Kinder oder Babys in der Nähe waren. Manchmal war ihre innere Unruhe so groß, dass sie anfing zu schreien. Weil mir dies peinlich war, reagierte ich oft sauer und ermahnte meine Tochter zur Ruhe.
Heute weiß ich, wie viel Sicherheit und Stetigkeit autistische Menschen brauchen. Kleine Kinder und Babys verhalten sich jedoch oft alles andere als stetig. Und genau das macht Alina wahrscheinlich Angst. Sie verhält sich also deshalb nicht adäquat, weil sie innere Not verspürt. Seit mir das klar ist, versuche ich in solchen Situationen auf sie einzugehen und versuche ihr zu helfen, damit umzugehen. Ich versuche, soweit mir das möglich ist, mit ihren Augen zu sehen.
Mit den Augen anderer zu sehen erweitert nicht nur die eigene Haltung, sondern lässt dem anderen auch den Raum, seine eigene Persönlichkeit entwickeln zu können. Die eigene Haltung zu erweitern, bedeutet, sich selbst zu gestatten, sich zu verändern, sich zu verbessern, sich zu vervollkommnen. Der Freund als das andere Selbst wird dabei aber nicht bekämpft, sondern auch er folgt gleichermaßen dem Weg zur eigenen Selbstverwirklichung. Sich selbst und dem Freund zur eigenen Menschlichkeit zu verhelfen ist das Anliegen des Philosophen der Freundschaft: Aristoteles.
»Ein Freund, ein guter Freund. Das ist das Schönste, was es gibt auf der Welt«, so sangen die drei Freunde Willy, Kurt und Hans in der Filmoperette Die drei von der Tankstelle . Dass Freunde im Leben eines jeden Menschen eine wichtige Rolle spielen, ob in der Antike oder heute, haben wir erläutert. Damit auch Sie sich über Ihre persönliche Situation bezüglich Freund schaft klar werden können, im Folgenden einige Fragen:
•Haben Ihrer Meinung nach Gemeinschaft und Glück etwas miteinander zu tun?
•Was unterscheidet Ihre Freunde von Ihren Bekannten?
•Haben Sie langjährige Freunde?
•Mit welchem Freund, mit welcher Freundin können Sie zusammen lachen, weinen und schweigen?
•Denken Sie, dass es in der heutigen Zeit möglich ist, Freunde im Sinne der antiken Freundschaft von Aristoteles zu haben?
•An wen konnten Sie sich in schweren Zeiten in Ihrem Leben wenden?
•Haben Sie schon Freunde in Krisen unterstützt? Inwiefern?
•Würden Sie gern sich selbst zum Freund haben?
•Wie gut können Sie sich in die Situationen anderer Menschen einfühlen?
•Können Sie Ihrem Freund/Ihrer Freundin zuhören, ohne dass Sie Ihm/Ihr ins Wort fallen?
•Welche glücklichen Augenblicke haben Sie mit Freunden erlebt?
Die Einheit von Tugend und Glück
Die Einheit von Tugend und Glück
Ein guter Charakter hat noch keinem geschadet
Tugend und Glück gehören zusammen wie Pech und Schwefel
Nach Aristoteles sind die Menschen glücklich, die tugendhaft handeln. Damit gehören ein sittlich einwandfreies und ein glückliches Leben zusammen. In der Nikomachischen Ethik ist zu lesen: »… so ist die Glückseligkeit offensichtlich als eine von den Tätigkeiten aufzufassen, die an sich und nicht bloß als Mittel begehrenswert sind. Sie ist ja keines anderen Dinges bedürftig, sondern sich selbst genug. Und an sich begehrenswert sind die Tätigkeiten, bei denen man nichts weiter sucht als die Tätigkeit selbst. Diesen Charakter scheinen die tugendgemäßen Handlungen zu haben, da es an sich begehrenswert ist, schön und tugendhaft zu handeln.« 14
Der griechische Begriff der arête steht für Tugend im Sinne von Tauglichkeit. Ein Tischler etwa taugt zum Herstellen von Möbel, ein Metzger zum Herstellen von Wurst. Aristoteles fragt sich in diesem Zusammenhang, wozu der Mensch im Allgemeinen taugt. Er fragt danach, was das Besondere beim Menschen ist – im Griechischen, das ergon , die spezifische Aufgabe oder Funktion einer Sache. Durch welche spezifische menschliche Fähigkeit definiert sich also ein guter Mensch?
Dazu Aristoteles: »… wenn endlich dasjenige hervorragend wird, was im Sinne der ihm eigentümlichen Leistungsfähigkeit vollendet wird, wenn das alles so ist, dann ist das Gute für den Menschen die Tätigkeit der Seele aufgrund ihrer besonderen Befähigung, und wenn es mehrere solche Befähigungen gibt, nach der besten und vollkommensten.« 15
Selig ist der Tugendhafte
In der Seele des Menschen befinden sich, so Aristoteles,
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