Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Anschlag auf den Silberpfeil

Anschlag auf den Silberpfeil

Titel: Anschlag auf den Silberpfeil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
Vom Netzwerk:
ich ihn nicht
bemerkt.“
    Prüfend sah er sie an. Weshalb log sie?
    „Überlegen Sie genau, was Sie sagen,
Frau Rawitzky. Bei der Kripo werde ich nämlich Angaben machen. Ich werde auch
erklären, daß ich hier bei der Scheune einen grellen Lichtreflex ( Widerschein )
sah. Ein Sonnenstrahl traf auf eine spiegelnde Fläche, als der Zug zum Tunnel
fuhr. Ich dachte, hier sei jemand mit seinem Fernglas. Jetzt bin ich überzeugt,
daß der Sonnenstrahl auf das Objektiv Ihrer Kamera fiel.“
    „Schon möglich. Ich habe Aufnahmen
gemacht. Damit war ich beschäftigt. Auf alles andere achte ich dann nicht.
Deshalb ist es mir wohl auch entgangen, daß der Zug herankam.“
    Das klang einleuchtend.
    Er nickte, klappte die Kameratasche zu
und kam aus der Hocke hoch.
    „Entschuldigen Sie, daß ich schroff
war. Aber bei so einem hundsgemeinen Anschlag — da muß man ja innerlich aufgehen
wie ein Hefekuchen. Ich kann dann nicht cool bleiben, sondern sehe alles durch
Wut-Augen. Es kann keine halbe Stunde her sein, daß die Falle gebaut wurde. Sie
haben wirklich niemanden bemerkt? Keinen Wanderer, keinen Jogger, keinen
Feldarbeiter, keinen Wilddieb, keine Kinder?“
    „Keine Menschenseele.“ Sie lächelte. „Willst
du Kriminalbeamter werden?“
    „Nö. Ingenieur. Aber der Vater meiner
Freundin ist Kommissar. Von ihm habe ich mir die Verhörtechnik abgeguckt. Alles
andere ist eine Sache folgerichtigen Denkens. Um ehrlich zu sein: Erwiesen ist
für mich noch nicht, daß Sie hier nur fotografiert haben — selbstvergessen,
ohne von der Umwelt Notiz zu nehmen. Aber es reicht nicht zum handfesten
Verdacht. Deshalb sind Sie vorläufig aus dem Schneider.“
    Sie blies die Backen auf und pustete
durch gespitzte Lippen. Du gehst mir auf den Geist! hieß das. Aber sie sprach
es nicht aus.
    „Es wäre auch nett gewesen“, meinte er,
„wenn Sie — statt hier den Kopf einzuziehen — zum Unglücksort geeilt wären, um
zu helfen.“
    „Eben wollte ich kommen. Gezögert habe
ich nur, weil ich kein Blut sehen kann.“
    „Dann wünsche ich Ihnen, daß Sie sich
nie in den Finger schneiden. Haben Sie vom Unglücksort Fotos gemacht?“
    „Von den Leuten, ja. Als sie aus dem
Tunnel kamen.“
    „Wahrscheinlich wird die Polizei sie
sehen wollen. Gehört der rote Wagen Ihnen?“
    Sie nickte.
    In diesem Augenblick hörte er den
Hubschrauber. Knatternd zerspellten seine Rotorblätter den Abendhimmel.
    Tim und die Fotografin traten vor die
Scheune.
    Der Himmel war noch blau. Nur von Osten
her zog milchige Bewölkung auf.
    Wie ein riesiges Insekt schwebte der
Hubschrauber über dem Teufelsberg. Die Menschen am Tunneleingang winkten.
Einige schwenkten ihre Taschentücher.
    „Na, denn“, sagte Tim. „Vielleicht
sehen wir uns nochmal. Wiedersehen!“
    Er joggte zurück. Der Hubschrauber
landete. Er gehörte zum Rettungsdienst. Ein Notarzt war an Bord, er hatte alle
Geräte und Instrumente für Sofortmaßnahmen dabei.
    Der Arzt und Sanitäter versorgten
Barbara und die übrigen Verletzten.
    Tim erfuhr, ein Bahnbus sei unterwegs
hierher, um die Reisenden abzuholen. Auf dem Schienenweg nähere sich außerdem
ein Arbeitswagen der Bahn — mit einem Kran und allem erforderlichen
Arbeitsgerät, um die Strecke möglichst schnell wieder frei und befahrbar zu
machen.

7. Hehler und Coiffeur
     
    Die Dämmerung wich dem samtigen Blau
der Mai-Nacht.
    Otto Nitschl, der beschädigte
Stadtindianer, blieb vor dem Hauptbahnhof stehen und sah sich um. Die Lichter
der Großstadt funkelten heute besonders hell.
    Hinter ihm toste der Hbf, einer der
Knotenpunkte im europäischen Schienennetz. Eine Woge kofferschleppender
Reisender schwappte aus der Riesenhalle zum Taxi-Stand.
    Der Bahnbus, der ihn und die anderen
vom Teufelstunnel abgeholt hatte, rollte — leer inzwischen — aufs
Bahnhofsgelände, wo andere Busse parkten.
    Jeder Betroffene hatte ein Formular
erhalten, um eventuelle Ansprüche schriftlich geltend zu machen.
    Nitschl hatte anderes im Kopf. Vor
allem bohrende Schmerzen — dort, wo die gepolsterte Rotweinflasche des
Speisewagenkellners ihn getroffen hatte.
    Ein Wahnsinnstag! Soviel Pech auf
einmal! Als er die Pfabsche Rückfahrkarte fand, hatte er sich gefühlt wie ein
Glückspilz. Das kam wie gerufen. Wie bestellt! Ein gültiger Fahrausweis — mit
seinem Reiseziel. Glatte 298 Mäuse hatte er gespart - aber dann! Dieser
verdammte Typ! Dieser Peter Carsten. Gelbfieber wünschte er dem, die Pest,
Schienbeinbrüche. Außerdem Salmonellen ( Bakterien,

Weitere Kostenlose Bücher