Anschlag auf den Silberpfeil
böser Mops, der
gleich zubeißt.
Daran änderte auch die braunblonde
Lockenpracht nichts: eine gepflegte Perücke, die er sich jeden Morgen auf dem Kahlschädel
festklebte.
Zwischen zwei Filetbissen sagte er: „Angelo
ist mein Freund und Partner. Kannst völlig offen reden, Otto. Vor Angelo habe
ich keine Geheimnisse. Übrigens gehört ihm der Haarschneider-Salon — drüben auf
der anderen Seite.“
„Du sollst nicht immer Haarschneider
sagen!“ fauchte Angelo. „Ich bin Coiffeur (frz. = Friseur), und
meine Eva ist Coiffeuse.“
Hauke grinste. „Aber ihr schneidet doch
den Leuten die Haare?“
„Nebenbei das auch. Jedenfalls sind wir
Künstler. Wir gestalten die Coiffure (Frisur).“
„Dabei fällt mir ein, daß du nachher
meine Coiffure mitnehmen kannst. Und über Nacht gestalten: waschen, föhnen,
neulocken. Morgen früh setze ich einen Hut auf und hole sie mir ab.“ Er meinte
seine Perücke.
Er wandte sich an Otto. „Nun mal raus
mit dem, was mir den Appetit verdirbt — angeblich. Übrigens siehst du
fürchterlich aus. Diese blauen Linien auf dem Gesicht! Dein Irokesen-Kamm
beleidigt den hier anwesenden Coiffeur.“
„Jeder nach seinem Geschmack“, sagte
Otto. Er wandte den Kopf und zeigte das Wundpflaster. „Habt ihr schon von dem
Eisenbahn-Unglück gehört? Ich war dabei. Daher die Verletzung. Abgespielt hat
sich das so...“
Er berichtete.
Sie hörten ihm zu. Hauke schob den
Teller weg, verzichtete auf den Rest des Filets.
Angelo spitzte die Lippen, pfiff aber
nicht. Seine schwarzen Onyx-(Halbedelstein) Augen glänzten.
„Das ist ein Ding!“ Hauke saugte an
seinen Wulstlippen. „Und du hast dir den Felshaufen angesehen, Otto?“
„Sage ich doch. Bin extra in den Tunnel
gelaufen. Es waren mehrere Brocken. Gar nicht so sehr groß. Aber der Typ — ich vermute,
daß es nur einer war — hat sie geschickt zwischen den Schienen verkeilt.“
„Weshalb nur einer?“
„Zu zweit oder zu dritt hätten sie
größere Brocken bewegt. Davon liegen genug am Hang vor dem Tunnel.“
Hauke ließ den Mund offen und dachte
nach. „Wann kam die Polizei?
„Ziemlich spät. Als wir alle zur Straße
rübergingen, wo uns der Bahnbus abholte.“
„Dann war der Täter bestimmt nicht mehr
in der Nähe.“
„Bestimmt nicht. Sonst müßte er
schwachsinnig sein.“
„Vermutlich ein Spinner. Oder einer,
der was vorhat. Vielleicht soll der Anschlag die Bundesbahn warnen. Ihr einen
Vorgeschmack geben von dem, was auf sie zukommt, falls sie nicht — zahlt. Klar!“
erfreute er sich an seinem Scharfsinn. „Dieser Anschlag könnte das Vorspiel
sein zu einer Erpressung.“
In der Stille knackten die Gedanken.
Jeder dachte nach. Otto fühlte sich, als würde er in wohlige Wärme getaucht.
Hier war er unter Profis. Selbst der Haarschneider sah aus, als könnte er mehr
als Haare schneiden.
Haukes Froschaugen richteten sich auf
ihn. „Du denkst sicherlich das gleiche.“
Angelo grinste . „Wir hängen uns rein —
und ernten, wo andere gesät haben. Zunächst kostet uns das nur einen Anruf. Wir
geben uns aus als die oder der Erpresser. Wir können mit Einzelheiten
aufwarten, die wir von Otto wissen. Wir sind glaubwürdig. Vorher, freilich,
höre ich mich bei meinen Freunden von der Bahnpolizei um. Ob etwa der Täter
schon gefaßt ist.“
Otto atmete flach. Prickelnde Aufregung
breitete sich in ihm aus, vertrieb sogar seine Kopfschmerzen.
„Vielleicht hat der Typ schon angerufen“,
sagte Hauke. „Damit müssen wir rechnen. Aber auch das kriegst du raus. Wenn ja,
versuchen wir’s trotzdem. Behaupten einfach, wir wären die echten — der andere
nur ein Trittbrettfahrer. Wir fordern — na, sein wir bescheiden: eine Million.
Bis morgen mittag sollen sie das Geld bereitstellen. Inzwischen überlegen wir
uns, wie und wo die Übergabe stattfindet.“
Er begann zu lachen. Es klang, als
hätte er fettes Eisbein vertilgt statt eines mageren Rinderbratens. „Übrigens,
Leute, haben wir das beste Alibi der Welt. Nämlich ein echtes. Wir können es
nicht gewesen sein, weil wir uns zur Tatzeit hier befanden. Nachweislich. Du,
Angelo, hast Haare geschnit... eh, hast Coiffure gestaltet. Kunstvoll,
natürlich. Ich war hier. Und meine Kunden wurden von mir mit dem versorgt, was
sie für ihren Lungenkrebs brauchen. Auch Otto kommt nicht in Betracht — als
Täter. Er ist vielmehr Opfer. Saß im Triebwagen und gehört zu den Verletzten.
Hahah.“
„Phantastisch!“ murmelte Otto. „Echt
stark.“
„Du
Weitere Kostenlose Bücher