Ansichten eines Clowns
Weingläsern nippen. Karl und Sabine fingen an, von den Büchern und
Kalendern zu sprechen, in denen man nachsehen kann, wann eine Frau kein Kind
kriegen kann. Und dann bekommen sie dauernd Kinder, und es fiel ihnen nicht ein, daß diese Erzählungen Marie und mich besonders quälen mußten, weil wir ja keine Kinder bekamen. Wenn Karl dann betrunken war, fing er an, Flüche nach Rom zu
schicken, unselige Wünsche auf Kardinalshäupter und Papstgemüter zu häufen, und das Groteske war, daß ich anfing, den Papst zu verteidigen. Marie wußte noch viel besser Bescheid und klärte Karl und Sabine darüber auf, daß die in Rom in dieser Frage ja gar nicht anders können. Zuletzt wurden sie beide listig und blickten sich an, als wollten sie sagen: Ach, ihr - ihr müßt doch etwas ganz Raffiniertes anstellen, daß ihr keine Kinder kriegt, und es endete meistens damit, daß eins der übermüdeten Kinder Marie, mir, Karl oder Sabine das Weinglas aus der Hand riß und den Wein über die Klassenarbeitshefte ausgoß, die Karl immer stapelweise auf dem Schreibtisch liegen hat. Das war natürlich peinlich für Karl, der seinen Schülern dauernd von Disziplin und Ordnung vorpredigt, ihnen dann ihre Klassenarbeitshefte mit
Weinflecken zurückgeben muß. Es gab Prügel, Weinen, und indem sie uns einen
»Ach-ihr-Männer-Blick« zuwarf, ging Sabine mit Marie in die Küche, um Kaffee
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zu kochen, und sicher hatten sie dann ihr Unter-Frauen-Gespräch, etwas, das Marie so peinlich ist wie mir das Unter-Männern-Gespräch. Wenn ich dann mit Karl allein war, fing er wieder von Geld an, in vorwurfsvollem Ton, als wenn er sagen wollte: Ich rede mit dir darüber, weil du ein netter Kerl bist, aber verstehen tust du nichts davon.
Ich seufzte und sagte: »Sabine, ich bin vollkommen ruiniert, beruflich, seelisch, körperlich, finanziell... ich bin...«
»Wenn du wirklich Hunger hast«, sagte sie, »dann weißt du doch hoffentlich, wo immer ein Töpfchen Suppe für dich auf dem Herd steht.« Ich schwieg, ich war
gerührt, es klang so ehrlich und trocken. »Hörst du?« sagte sie.
»Ich höre«, sagte ich, »und ich werde spätestens morgen mittag kommen und mein Töpfchen Suppe essen. Und wenn ihr noch einmal jemand braucht, der auf die Kinder aufpassen muß, ich - ich«, ich stockte. Ich konnte ja schlecht, was ich immer umsonst für sie getan hatte, jetzt für Geld anbieten, und die idiotische Geschichte mit dem Ei, das ich Gregor gegeben hatte, fiel mir ein. Sabine lachte und sagte: »Na, sag's doch.«
Ich sagte: »Ich meine, wenn ihr mich bei Bekannten empfehlen könntet, ich habe ja Telefon - und ich mach's so billig wie jeder andere.«
Sie schwieg, und ich konnte gut merken, daß sie erschüttert war. »Du«, sagte sie,
»ich kann nicht mehr lange sprechen, aber sag mir doch - was ist denn passiert?«
Offenbar war sie die einzige in Bonn, die Kosterts Kritik nicht gelesen hatte, und mir fiel ein, daß sie ja gar nicht wissen konnte, was zwischen Marie und mir geschehen war.
Sie kannte ja keinen aus dem Kreis.
»Sabine«, sagte ich, »Marie ist von mir weg - und hat einen gewissen Züpfner
geheiratet.«
»Mein Gott«, rief sie, »das ist doch nicht wahr.«
»Es ist wahr«, sagte ich.
Sie schwieg, und ich hörte, wie gegen die Tür der Telefonzelle gebumst wurde.
Sicher irgendein Idiot, der seinem Skat-
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bruder mitteilen wollte, wie er das Herz Solo ohne drei hätte gewinnen können.
»Du hättest sie heiraten sollen«, sagte Sabine leise, »ich meine - ach, du weißt, was ich meine.«
»Ich weiß«, sagte ich, »ich wollte ja, aber dann kam heraus, daß man diesen
verfluchten Schein vom Standesamt haben muß, und daß ich unterschreiben,
verstehst du, unterschreiben mußte, die Kinder katholisch erziehen zu lassen.«
»Aber es ist doch nicht daran gescheitert?« fragte sie. Das Bumsen an der Tür der Telefonzelle wurde stärker.
»Ich weiß nicht«, sagte ich, »der Anlaß war's schon - aber es kommt wohl vieles hinzu, was ich nicht verstehe. Häng jetzt ein, Sabinchen, sonst bringt dich dieser erregte deutsche Mensch an der Tür noch um. Es wimmelt von Unholden in diesem
Land.« - »Du mußt mir versprechen, zu kommen«, sagte sie, »und denk daran: dein Süppchen steht den ganzen Tag auf dem Feuer.« Ich hörte, daß ihre Stimme schwach wurde, sie flüsterte noch: »Wie gemein, wie gemein«, aber sie hatte offenbar in ihrer Verwirrung nicht den Hörer .auf die Gabel gelegt, nur auf das Tischchen, auf
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