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Ansichten Eines Clowns

Ansichten Eines Clowns

Titel: Ansichten Eines Clowns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Boll , Heinrich Böll
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fuhr schnell, über unseren Gartenweg, durch die Ausfahrt und mußte draußen an der Haltestelle warten, an der Henriette eingestiegen war, als sie zur Flak fuhr. Es stiegen ein paar Mädchen in Henriettes Alter in die Straßenbahn. Als wir die Bahn überholten, sah ich noch mehr Mädchen in Henriettes Alter, lachend, wie sie gelacht hatte, mit blauen Mützen auf dem Kopf und Mänteln mit Pelzkragen. Wenn ein Krieg käme, würden ihre Eltern sie genau so wegschicken, wie meine Eltern Henriette weggeschickt hatten, sie würden ihnen Taschengeld zustecken, ein paar belegte Brote, ihnen auf die Schulter klopfen und sagen »Mach's gut«. Ich hätte den Mädchen gern zugewinkt, ließ es aber. Es wird alles mißverstanden. Wenn man in einem so dummen Auto fährt, kann man nicht einmal einem Mädchen winken. Ich hatte einmal einem Jungen im Hofgarten eine halbe Tafel Schokolade geschenkt und ihm die blonden Haare aus der schmutzigen Stirn gestrichen; er weinte und hatte sich die Tränen durchs Gesicht auf die Stirn geschmiert, ich wollte ihn nur trösten. Es gab einen fürchterlichen Auftritt mit zwei Frauen, die fast die Polizei gerufen hätten, und ich fühlte mich nach der Keiferei wirklich wie ein Unhold, weil eine der
    Frauen immer zu mir sagte: »Sie schmutziger Kerl, Sie schmutziger Kerl.« Es war
    mir so pervers vor, wie ein wirklicher Unhold mir vorkommt.

    Während ich die Koblenzer Straße runterfuhr, viel zu schnell, schaute ich nach einem Ministerauto aus, das ich hätte schrammen können. Mutters Auto hat vorstehende Radnaben, mit denen ich ein Auto hätte ankratzen können, aber so früh war noch kein Minister unterwegs. Ich sagte zu Leo: »Wie ist es nun, gehst du wirklich zum Militär?« Er wurde rot und nickte. »Wir haben darüber gesprochen«, sagte er, »im Arbeitskreis, und sind zu dem Ergebnis gekommen, daß es der Demokratie dient.« - »Na gut«, sagte ich, »geh nur hin und mach diese Idiotie mit, ich bedaure manchmal, daß ich nicht wehrpflichtig bin.« Leo drehte sich mir fragend zu, wandte aber den Kopf weg, als ich ihn ansehen wollte. »Warum?« fragte er.
    »Oh«, sagte ich, »ich würde so gern den Major einmal wiedersehen, der bei uns einquartiert war und Frau Wieneken erschießen lassen wollte. Er ist jetzt sicher Oberst oder General.« Ich hielt vor dem Beethovengymnasium, um ihn rauszulassen, er schüttelte den Kopf, sagte: »Park doch hinten rechts vom Konvikt«, ich fuhr weiter, hielt, gab Leo die Hand, aber er lächelte gequält, hielt mir weiter die offene Hand hin. Ich war in Gedanken schon weg, verstand nicht, und es machte mich nervös, wie Leo dauernd ängstlich auf seine Armbanduhr blickte. Es war erst fünf vor acht, und er hatte noch reichlich Zeit. »Du willst doch nicht wirklich zum Militär gehn«, sagte ich. »Warum nicht«, sagte er böse, »gib mir den Autoschlüssel.« Ich gab ihm den Autoschlüssel, nickte ihm zu und ging. Ich dachte die ganze Zeit an Henriette und fand es Wahnsinn, daß Leo Soldat werden wollte. Ich ging durch den Hofgarten, unter der Universität her zum Markt. Mir war kalt, und ich wollte zu Marie.
    Der Laden war voller Kinder, als ich dort ankam. Die Kinder nahmen Bonbons, Griffel, Radiergummi aus den Regalen und legten dem alten Derkum das Geld auf die Theke. Als ich mich durch den Laden ins Hinterzimmer zwängte, blickte er
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    nicht auf. Ich ging zum Herd, wärmte meine Hände an der Kaffeekanne und dachte, Marie würde jeden Augenblick kommen. Ich hatte keine Zigaretten mehr, und ich überlegte, ob ich sie so nehmen oder bezahlen sollte, wenn ich Marie darum bat. Ich goß mir aus der Kanne Kaffee ein, und mir fiel auf, daß drei Tassen auf dem Tisch standen. Als es im Laden still wurde, setzte ich meine Tasse ab. Ich wünschte, Marie wäre bei mir gewesen. Ich wusch mir am Spülbecken neben dem Herd Gesicht und Hände, kämmte mich mit der Nagelbürste, die in der Seifenschale lag, ich zog meinen Hemdkragen glatt, die Krawatte hoch und prüfte noch einmal meine Fingernägel: sie waren sauber. Ich wußte plötzlich, daß ich das alles tun mußte, was ich sonst nie tat. Als ihr Vater hereinkam, hatte ich mich gerade gesetzt, ich stand sofort auf. Er war so verlegen wie ich, auch so schüchtern, er sah nicht böse aus, nur sehr ernst, und als er die Hand zur Kaffeekanne ausstreckte, zuckte ich zusammen, nicht viel, aber merklich. Er schüttelte den Kopf, goß sich ein, hielt mir die Kanne hin, ich sagte danke, er sah mich immer noch nicht an. In

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