Ansichten eines Klaus - Roman
stellt sich neben Rolf. Corinna, einen Kopf kleiner als er, sie sagt »Na, Großer«, er beugt sich zu ihr, ohne mit dem Zapfen aufzuhören, und sie küssen sich.
»Muss das hier sein?«, frage ich.
»Ey, das ist eine Hochzeitsfeier«, sagt Corinna. »Da wird die Liebe zelebriert.«
»Hier wird keine Liebe zelebriert«, sage ich. »Nicht in meiner Kneipe. Das könnt ihr schön zu Hause machen.«
»Wollt ihr auch heiraten?«, fragt Manuela.
Corinna strahlt und sagt dann ein bisschen geheimnisvoll: »Vielleicht.«
Rolf schaut vom Zapfen hoch, zuckt leicht die Schultern und fügt hinzu: »Ja, warum nicht.«
Boah, denke ich, was für eine romantische Art, jemanden um seine Hand zu bitten. Willst du mich heiraten? – Ja, warum nicht? Oder: Okay. Oder: Geht klar. Oder: Jepp. Dafür küsst sie ihn gleich noch mal, statt ihm gegen das Schienbein zu treten. Petra hätte das gemacht. Vielleicht trägt der Bräutigam bei der Hochzeit deshalb traditionell keine kurzen Hosen.
Der Mann am Klavier spielt eine Art Tusch. Drei Akkorde und ein langsames Tremolo am Schluss, das er so lange durchhält, bis sich ein älterer Herr erhoben hat. Das dauert. Spärlicher Applaus, den der ältere Herr sofort für sich in Anspruch nimmt, indem er mit den Händen beschwichtigend um Ruhe bittet. Jemand schlägt mit einem Besteckteil an eins meiner Gläser, damit aufmerksame Ruhe eintritt. Eigentlich ist es ja ziemlich ruhig, bis auf den Pianisten, der immer noch an seinem Tremolo spielt, und das Gläserschlagen.
»Liebe ...«, beginnt der ältere Herr.
»... Trauergäste«, ruft jemand dazwischen. Gelächter. Der Pianist lässt endlich die Finger von den Tasten und genehmigt sich das so lange besungene Bier.
»Liebe Hochzeitsgesellschaft, liebes Brautpaar, liebe Familie, Freunde, liebe Gäste. Der heutige Tag ist ein Freudentag für mich und meine Frau, denn heute hat endlich ...«, er macht eine klitzekleine Pause, »... auch meine dritte Tochter geheiratet, die ja eigentlich meine zweite ist, also die mittlere, aber das würde jetzt zu weit führen, das näher zu erläutern.«
Irgendwo fällt ein Glas um.
Ja, endlich hat seine dritte und letzte Tochter geheiratet. Die Erleichterung ist ihm anzuhören. Patrizia, die erste, hat ja schon mit achtzehn geheiratet, da hat sie noch bei ihren Eltern gewohnt und der Schwiegersohn ist gleich mit eingezogen und sein drogenabhängiger Bruder auch. Die beiden blieben dann auch bis zur Scheidung zwei Jahre später, da saß er gerade frisch in U-Haft. Paula, die jüngste, hat sich einen braven Mittelständler genommen, Elektroinstallationen und so weiter, was mit Zukunft. Und Petra hat sich jetzt den Gregor gegriffen. Ein solider Charakter, auch wenn ich mir nie merken kann, was er eigentlich macht. Hauptsache, er verdient dabei. Nicht wie dieser Kneipier, mit dem sie mal zusammen war. Ich war ja immer der Kneipier. »Soso, Sie sind also Kneipier«, hatte Petras Vater gesagt, als ich mich eines Pfingstens ihrer Familie vorstellte. Sollte man nicht tun. Man stellt sich der Familie der Freundin nicht mehr vor. Man begegnet einander bei einemAnlass. Als Petras Vater vorhin reinkam, hat er mich nicht mal erkannt.
»... den Partner fürs Leben zu finden, kann manchmal ein langer, verworrener Weg sein.« Gut, vielleicht hat er mich doch nicht vergessen. Nur ignoriert. »Bei mir war das freilich nicht so. Ich habe meine Frau beim Schulball kennengelernt, und dann haben wir geheiratet. Da gab es nicht dieses Hin und Her, wie das heutzutage so ist.«
Wenn man bedenkt, dass Petras Eltern knapp über zwanzig waren, als Joschka Fischer seine ersten Steine auf Polizisten warf, aber das ist damals sicher gar nicht bis aufs Land gedrungen. »Das Geheimnis einer guten Ehe, und das darf ich heute als erfahrener Ehemann verraten, lässt sich in zwei Worte fassen ...«
Glück gehabt.
Manuela hängt dem Redner an den Lippen.
»Bringst du mir ein Chef spezial?«, bitte ich sie.
Sie lächelt, nickt, geht nach hinten.
Ich wende meine Aufmerksamkeit wieder Petras Vater zu. Er erzählt, wie er vom ersten Moment an wusste, dass das die Frau sein würde, mit der er den Rest seines jämmerlichen Lebens verbringen wollen würde (zugegeben – jämmerlich ist von mir). Der weibliche Teil der Zuhörerschaft ist hin und weg und seufzt sich einen, aus der geschlechtlich anderen Hälfte kommt ein genervtes leises Aufstöhnen. Mist, denke ich, jetzt habe ich die zweiWorte verpasst, die das Geheimnis einer guten Ehe
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