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Ansichten eines Klaus - Roman

Ansichten eines Klaus - Roman

Titel: Ansichten eines Klaus - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael-André Werner
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Gut, sie soll auch ab und zu mal in sein Büro gekommen sein, aber denkt sich seine Sekretärin da was? Weischt du, was die neulich zu meinem Freund gesagt hat: ›Der Herr Nieuwhus, das ist doch so ein netter. Dasglaub ich nicht, dass der was mit der vom Fernsehen hatte. Der hat doch eine Frau zu Hause. Und der ist doch zu allen Frauen so nett und zuvorkommend.‹ Ja, die vom Fernsehen sei schon ab und zu mal da gewesen, aber das heißt doch nichts. Mit dem großen, dünnen von der Springerpresse hat er sich doch auch oft getroffen.
    Und jetzt im Nachhinein hat selbst Ilka gesagt, dass sie die Fernsehfrau in ihrer Straße gesehen hat, als sie nachmittags von der Schule kam. Na, dreimal darfst du raten, wo die damals wohl hergekommen ist. Und noch dreimal, wofür Alexander die Wohnung behalten hat. Aber da hat sich Ilka auch nichts gedacht, außer: ›Die kenn ich doch irgendwoher.‹«
    Jochen sieht zur Uhr. »Zeit schon um?« Na, noch eine Minute. Normalerweise stelle ich mir so einen kleinen Küchenwecker, aber es geht ja auch so. Von dem Abdruck lasse ich dir einen schönen Ersatzzahn machen, kannscht du dir noch aussuchen, ob Gold oder Keramik, und dann schleif ich dir den Stummel zurecht, wenn das Fleisch abgeheilt ist, so in vier bis sechs Wochen kannscht du wieder lächeln. Bis dahin kriegscht du ein Provisorium, damit dir da nicht noch mehr wegbricht. Trotzdem würd ich empfehlen, erscht einmal auf der anderen Seite zu kauen. – So, dann wollen wir mal. Wenn ich sage: ›Mund auf!‹, machst du den Mund auf.« Er greift den zwischen meinen Lippen herausstehenden Metallgriff, sagt: »Mund auf«, und ichmache den Mund auf. Das Abdruckteil mit der Masse klebt mir an der Zahnreihe. Ich frage mich, ob noch ein paar von meinen Zähnen drinstecken werden, wenn Jochen die Masse aus meinem Mund zieht. Jochen drückt den Griff behutsam nach unten und mit einem leicht schmatzenden Geräusch löst sich das Ganze von meinen Zähnen. Er schaut in die Form, sagt: »Das sieht doch sehr gut aus«, während ich mit der Zunge nachfühle, ob noch alle Zähne da sind.
    »Sodele«, sagt er fröhlich, »dann machen wir mal desch Provisorium.«
    Er ruft Jenny wieder herein, stülpt eine Metallklammer über meinen Zahnstumpf, eine winzige Backform, oben und unten offen. »Nein, das Ganze tut nicht weh«, sagt er wieder, und erst später zu Hause, als die Betäubung nachlässt, werde ich merken, wie tief er mir die Blechform ins wunde Zahnfleisch gedrückt hat. Und die Füllung muss natürlich auch erst mal fest werden. Also wieder nichts mit Sprechen. Stattdessen zuhören, was der Onkel Doktor Zahnarzt erzählt. Und dabei den Mund offen halten.
    »Das sind Geschichten, was? Aber von mir hast du das net. Ich weiß nichts. Ich sag nichts. Ich schweig wie ein Grab. Mir ist das ja eigentlich auch egal. Ich meine, wenn Ilka sich das gefallen lässt. Und vor dieser Praktikantinnensache soll er ja auch schon mal, aber frag mich net, mit wem. Hat mirJimmi erzählt und der weiß auch nicht mehr, als dass da mal was gewesen sein soll. Wundern würde mich das jetzt auch net mehr. Aber wie gesagt: nur Gerüchte.«
    Er entfernt vorsichtig die Metallform, klopft dreimal gegen das Provisorium, wie bei einer Grundsteinlegung, wo der Polier auch dreimal mit der Maurerkelle auf den Stein klopft, oder aus altem Zahnarztaberglauben, und beginnt, wie ein Bildhauer, den Zahn in Form zu bringen. »Ja, die Zahnmedizin ist auch eine künstlerische Tätigkeit. Nicht immer, aber ... so, fertig.«
    Er tritt einen Schritt zurück.
    »Beiß mal zu. Kurtsch klappern. Mal nach rechts und links schieben. Stört was?«
    »Nein.«
    »Wirklich nicht? Fühlt es sich anders an als vorher?«
    »Ja, natürlich.«
    »Ich meine, als der Zahn noch da war.«
    »Das weiß ich doch jetzt nicht mehr, das ist Wochen ...«
    »Aha. Aufmachen.« Er hält mir ein Stückchen blaues Papier zwischen die Zähne, sagt: »So, noch mal klappern und hin und her schieben. Mund auf.« Er zieht das Papier raus, sieht sich die Zähne an. »Schaut gut aus. Ach so.« Er geht zu einem Glasschränkchen und kramt darin herum, kommt mit einer Blisterpackung mit acht Tabletten wieder.»Die hier nimmst du, jeden Tag zwei, morgens und abends eine, bis sie alle sind. Antibiotika, gegen die Entzündung. Sicherheitshalber. Und nächste Woche erzähle ich dir von der zweiten Frau«, fügt er hinzu.
    Ich sehe ihn ratlos an. Er reicht mir die Hand und hilft mir aus dem Behandlungsstuhl hoch, für einen

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