Ansichten eines Klaus - Roman
vernebelt), Akne. Nein, er ist nicht achtzehn, sondern irgendwas um die achtunddreißig, wie gesagt stoffwechselgestört, dazu Stress und Hektik. Ich hab ihn schon mal im Zusammenhang mit Petra gesehen, irgendein Freund oder Kollege des Bräutigams, macht was mit Marketing oder IT. Nicht, dass mich so was stören würde. Dass er mich duzt, schon eher. Dasser mich Klaus nennt, obwohl ich gar nicht Klaus heiße. Aber woher soll er das auch wissen? Vom Impressum meiner Homepage vielleicht, die er sich angeschaut hat und wo mein voller Name steht? Dass er sich mal meine Homepage überhaupt angesehen hat, stört mich auch. Ich meine, gut, dafür ist so eine Homepage ja da, zum Ansehen. Es ist die Art, wie er es sagt. Zuerst mal: unaufgefordert. Ohne Hallo. Als würden wir uns seit Jahren kennen. Beste Kumpel. Hey, ich hab mir mal deine Homepage angeschaut. Schicke Jacke. Tolle Freundin. Geile Titten. Er hat dabei diese kaum wahrnehmbare Herablassung im Tonfall. Du, ich hab mir mal deine Homepage angeschaut, Stimme hoch, kurze Pause – die sieht ja scheiße aus.
Das sagt er nicht. Das spart er aus. Womöglich denkt er es. Sehr wahrscheinlich meint er es. Denn er sagt: »Da muss mal was gemacht werden.«
Find ich nicht. Aber ich kucke erst mal gefühlsneutral und hör ihm aufmerksam zu. Bin gespannt, wie lange es dauert, bis ich was Wichtiges zu tun habe, die Kaffeemaschine entkalken oder das Klo putzen. Da muss auch mal dringend was gemacht werden.
»Da muss was passieren, wenn man auf die Site kommt. HTML ist doch Steinzeit, das geht ja gar nicht mehr.«
»Aha«, sage ich. Mehr aus Versehen.
»Da muss sich was bewegen. Der User.«
Soso.
»Nicht nur hier so«, er schreibt mit Daumen und Zeigefinger vier zentimeterhohe Zeilen in die Luft, »Schriftzug, Foto, Adresse, Öffnungszeiten.«
Das ist so ziemlich die beste Beschreibung dessen, was die Homepage des Theaterklaus ausmacht. Oben der Schriftzug. Darunter ein Foto von der Kneipe: Abend, Außenansicht. Darunter die Adresse und dann die Öffnungszeiten. Was will man mehr? Ne Mail an den Webmaster schicken? Wir vermieten keine Räume. Wir haben kein Menü. Wir machen kein Catering. Wenn auf ist, ist auf, wenn zu ist, ist zu.
»Der User will ein Event«, sagt der dünne Heini. Mein Blick schweift in meinem Laden umher, vor allem zum Buffet. Das ist mir Event genug. Zwei Familien, die an der Futterstelle um die begrenzten Nahrungsressourcen kämpfen. Nur einige wenige, die sich heraushalten. Alexander, der einer jungen kurzhaarigen Frau in einem orangefarbenen engen Schlauchkleid gerade beim Befüllen des Tellers behilflich ist. Ilka, die bei der Braut sitzt und auf sie einredet. Ich weiß gar nicht, ob Ilka und Alexander im Moment zusammen sind oder nicht, aber werden sie wohl sein, denn Petra hätte Alexander sicher nicht eingeladen, wenn er nicht der Anhang von jemandem wäre. Also von Ilka. Jetzt streicht er der Kurzhaarigen flüchtig über den Rücken – wahrscheinlichder generelle Zwang Alexanders, Frauen berühren zu müssen – und tarnt es als Weiterschieben in der Schlange – hinter ihm kommen ja noch andere. Ilka kriegt von alldem nichts mit, sie redet mit der Braut.
»Und vor allem Content«, höre ich jetzt am rechten Ohr. Ach ja, der ist ja auch noch da. »Die Seite braucht Content. Inhalt. Programm.«
Hier gibt’s kein Programm.
»... die Speisekarte.«
Die üblichen Getränke und ein paar kalte Speisen. Stulle, Käsebrot. Das muss man auch nicht auf die Homepage schreiben.
»Fotos, Musik, vielleicht ein Gewinnspiel. Gutscheine. Coupons zum Ausdrucken.«
Alexanders Hand ist ein wenig tiefer gerutscht, nicht zu tief. Nein, sie verharrt genau in der richtigen Höhe. Nicht anzüglich, vielleicht ein wenig aus Versehen. Zu uneindeutig für einen Vorwurf. Der kommt von der kurzhaarigen Brünetten, die wahrscheinlich aus der Bräutigamhälfte der Gesellschaft stammt, ohnehin nicht. Als Dank für seine Bemühungen bei der Futtersuche schenkt sie ihm noch ein Lächeln, dann schlängelt sie sich an ihren Platz zurück, wo sie sofort mit einer Freundin zu tuscheln anfängt. Alexander setzt sich neben Ilka, schiebt ihr den Teller hin, mit dem Content des Eventbuffets. Er flüstert ihr ins Ohr, sie nickt, er steht noch mal auf.
»Das ist so was von wichtig«, ruft mir der Webdesigner Heiner ins Ohr, das machen jetzt alle und das müsse dann ja auch abgestimmt werden mit meinem Profil bei Facebook.
»Ich habe kein Profil bei Facebook«, sage ich.
Er
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