Ansichten eines Klaus - Roman
drei Tage lang zulassen. »Wegen Lüften geschlossen«, schreib ich an die offene Tür. Haha, werden die Passanten denken.
»Was?«, frage ich, »welcher Mann?«
Sie schaut sich um, zeigt Richtung irgendwo. »Der mir eben beim Rausschmeißen geholfen hat und vorhin am Buffet.«
»Alexander?«, sage ich verdutzt.
»Der ist nett«, sagt sie.
»Der hat ne Freundin.« Und weil ich das nicht abschreckend genug finde, sage ich: »Das ist ein notorischer Frauenheld und Fremdgänger und ...«
»Aber ...«, sagt Manuela.
Ich habe das unbestimmte Gefühl, das war kontraproduktiv. »Lass einfach die Finger von ihm«,sage ich. Klingt das eifersüchtig? Mach doch, was du willst.
Nach der Pause tritt Ute auf, ein schlankes, kurzgeschorenes, blondes Wesen. Es kiekst und kichert, und ich hätte nie vermutet, so etwas im Freundeskreis von Paula anzutreffen. Oder von Petra. Oder von beiden. Ist aber wohl so. Wahrscheinlich gibt es in jedem Freundeskreis eine Ute. Ute hat auch ein Spiel vorbereitet. Ute hält ein bunt eingewickeltes Päckchen in den Händen, das sie, so sagt sie, dem glücklichsten Mann im Raum sogleich schenken wird. Und tatsächlich, sie überreicht es Gregor, der etwas überrascht ist. Denkt er dasselbe wie ich? Wieso nicht der Brautvater? Ist egal, er darf es sowieso nicht auspacken. Das Geschenk, verkündet Ute, sei für ... Und dann holt sie einen Zettel hervor und liest ab: »Halt, lieber Gregor, überlege und schau und gib es zum Öffnen deiner lieben Frau!«
Er tut es.
»Nun, liebe Petra«, liest Ute weiter, »ist das Päckchen in deinen Händen und du darfst es einmal wenden. Doch das Päckchen gehört nicht alleine dir, gib es dem Herren, der am weitesten weg sitzt von dir!«
Das wäre so etwa da, wo ich bin, einen Meter vor mir endet die Hochzeitstafel. Bloß gut, dass ich stehe, so trifft es einen Frühverglatzten mit Schnauzer und großer Atze-Schröder-Brille, in einemziemlich teuren Anzug. Während die Braut sich auf den Rückweg macht, gibt Ute weitere Anweisungen: »Wenn du auch sehr weit vom Brautpaar sitzt, nein, deine Anwesenheit hat man nicht verschwitzt. Sieh dich einmal um und beweise deinen Schneid und bringe es der Frau mit dem schönsten Kleid!«
Ja, so sind sie, die lustigen Gesellschaftsspiele. Die Frau kriegt eine einfache Aufgabe, wer denn wohl am weitesten weg sitzt. Der Mann wird mit voller Wucht ins Fettnäpfchen getreten. Die Frau mit dem schönsten Kleid. Auf einer Hochzeit! Komm, Freund, gib es der Braut zurück. Deine einzige Chance, dich nicht ganz unbeliebt zu machen. Das würde selbst deine Begleiterin einsehen, die mit ihrer hautengen, ärmellosen siebzigerjahreretrogemusterten Wurstpelle definitiv nicht das schönste Kleid hat, die aber jetzt trotzdem das Päckchen bekommt. Da hast du wenigstens den Weg gespart. Deine Freundin darf jetzt den Mann mit der größten Nase suchen. Und das bist nicht du. Jetzt hat sie einen gefunden, na, der freut sich aber. Als hätte er nicht in der Schule schon genug unter seinem Zinken gelitten. Und jetzt brüllt natürlich auch noch jemand den alten Witz mit der Nase und dem Johannes in den Raum.
»Die größte Nase hast du nicht«, liest Ute nun weiter – soso, woher weiß sie das? –, »denn gemessen hat sie das schicke Frauchen nicht ...« Da hatsie auch wieder recht. Aber Frauchen? Das kannte ich bisher nur im Zusammenhang mit Hundchen. Da kann ich nur hoffen, dass sie dieses schöne Gedichtchen aus dem Internetchen oder aus einem Hochzeitsvorbereitungsbüchelchen und es sich nicht selbst zusammengereimt hat. Ich überlege, ob Ute eine von Petras Kolleginnen ist. Mikrobiologie? Organische Chemie? Lebensmitteltechnik? So sieht sie nicht aus. Nach keinem. Ich weiß es nicht und kann es auch nicht erraten. Ich hab mich von Petras Kollegenkreis immer ganz, ganz, ganz ferngehalten.
»Tja, ihr Lieben«, wende ich mich an mein Personal. Gerade hat ein Mann das Päckchen in den Händen und muss seine Wahl anhand der üblichen körperlichen Attribute treffen: lange Beine, strahlende Augen ... Ich muss doch mal sehen, ob ich es nach oben schaffe, bevor das Päckchen bei mir ankommt.
»Schafft ihr das allein?«, frage ich Rolf und Manuela, aber Manuela macht »Tschsch«, als würde ich ganz unglaublich bei etwas furchtbar Wichtigem stören, und Rolf, Rolf ist gar nicht zu sehen. Rolf kniet hinter der Theke, nein, Rolf kniet vor Corinna – und Corinna strahlt.
»Ja«, sagt sie.
Manuela strahlt auch.
Rolf steht wieder auf und
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