Ansichten eines Klaus - Roman
«
Ich esse noch einen Löffel Pudding und sehe sie an. Manuela dreht das Tabasco-Fläschchen in ihren Händen hin und her, wahrscheinlich würde sie es kneten, wenn sie könnte. Dann stellt sie es auf die Ablage.
»Was sagst du?«
»Hm«, sage ich.
»Da haben die Gäste mal was anderes, was sie ansehen können, nicht immer dieselben grauen Wände.«
»Die Wände hier sind nicht grau.«
Manuela zeigt auf die Wand hinter ihr.
»Ja, hier in der Küche«, sage ich, »aber vorn nicht. Oder willst du deine Bilder hier in der Küche aufhängen?«
Sie legt den Kopf schief.
»Grün«, sage ich.
Sie runzelt die Stirn.
»Die Farbe vorn heißt so. Grün. Und ich finde sie sehr schön. Da kann man lange draufschauen.« Ich esse weiter, dann gehe ich wieder nach vorn. Sie kommt mir hinterher.
»Und?«, fragt sie. »Darf ich? Dann kommen auch mehr Gäste, wenn hier ein bisschen Kultur ist. Wir können eine Vernissage machen.«
»Hm«, brumme ich.
»Da kommen dann vielleicht auch mal ganz andere Gäste – und die Presse.« Ich bleibe am Tresen stehen und lehne mich dagegen. »Du bist dir schon bewusst, dass das noch nicht die Argumente sind, die mich von den Socken hauen: mehr Gäste, andere Gäste, Presse«, sage ich.
Sie sieht mich an. Ich löffle.
»Und wie willst du die Bilder aufhängen?«, frage ich nach einer Weile.
»Na, so mit Haken und Nägeln und ...«
»Du willst Nägel in die Wände schlagen?«, frage ich. »In meine Wände? Und die bleiben dann hinterher da stecken?«
»Ganz kleine«, sagt Manuela, »die sieht man kaum. Wir können die auch ganz oben, fast unter die Decke in die Wand nageln. Da kuckt ja keiner hin, da sind sie fast unsichtbar. Und die Bilder dann mit Nylonschnüren aufhängen. So wie in Galerien. Und die Schilder, die neben die Bilder kommen, lassen sich auch ganz leicht ablösen. Und ...«
»Moment«, unterbreche ich sie, mir ist etwas eingefallen, was ich völlig vergessen habe. »Was malst du überhaupt? Passt das hierher?«
»Großformatige ...«
»Großformatige? Wie groß?«
»Nein, nicht sooo groß. Eher flächig. Flächendeckend. Da gibt’s dann größere und kleinere Bilder.«
»Und was ist da drauf?«, frage ich und löffle langsam weiter.
»Farbverläufe. So landschaftsmäßig. Zwei oder drei Farbflächen, die aufeinandertreffen, und das ergibt dann manchmal so was wie eine Anmutung einer Landschaft.«
Soso, eine Anmutung. So was wie. Manchmal.
»Na, okay. Mach.«
Sie schaut mich an. Dann wird ihr langsam bewusst, was ich eben gesagt habe.
»Echt? Danke. – Danke, danke, danke.«
Ich halte schnell Becher und Löffel in Brusthöhe vor meinen Körper, so dass sie sich – sollte sie tatsächlich auf die Idee kommen, mich im Überschwang umarmen zu wollen – mit Pudding bekleckern wird. Sie lässt es.
»Den Rest klärst du mit Rolf«, sage ich. »Und das Aufhängen machst du, wenn der Laden zu ist, irgendwann nachts ...«
»Geht klar.«
»Und um deine Vernissage kümmerst du dich auch alleine. Und um die Presse. Und keinen von Springer einladen, kein Blöd, Bezett, Mottenpost und so.«
Sie nickt. Ich löffle meinen Becher aus.
»Sonst noch was?«
Sie schüttelt den Kopf.
»Na, dann ab, wir haben Gäste.«
Sie hüpft grinsend von dannen, eben noch eine halbwegs erwachsene junge Frau, die es geschafft hat, ihrem Chef die Erlaubnis abzuringen, ihre Bilder in seinem Laden auszustellen, jetzt ein kleines Mädchen, und ich würde nie behaupten, dass sie grinsend von dannen hüpft, wenn es nicht so wäre – sie hüpft grinsend von dannen, direkt auf Rolf zu, der hinter dem Tresen Gläser spült und sagt ihm, dass sie ihre Bilder ausstellen darf. Er lacht, nickt, klopft ihr auf den Oberarm, denn er hat das natürlich alles schon gewusst, dass sie fragen wollte und dass ich letztlich doch ja sage. Nur ich weiß immer nicht, was in meinem Laden los ist.
Zur Strafe stelle ich den leeren Becher mit Löffel drin auf den Tresen, soll Rolf ihn doch wegräumen oder Manuela. Er kippt um. Ich muss erst mal frische Luft schnappen.
Später ist Sarah da, ist direkt aus dem Büro gekommen und klagt über Stress, Abgabetermine und dass ihre Kollegen sie mobben und dass sie das nicht mehr lange mitmacht. Kündigt. Oder sich kündigen lässt. Oder sich erst mal krankschreiben lässt und dann kündigt. Vorher noch Resturlaub nimmt. Selber zu kündigen ist in der jetzigen Lage keine so gute Idee.
»Vielleicht mach ich mich auch selbstständig«, sagt sie, und der Lockenkopf,
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