Ansichten eines Klaus - Roman
der neben ihr sitzt und dessen Namen ich nicht weiß, nickt zustimmend. Dann sagt er: »Ja, mach das.« Nicht sehr enthusiastisch und auch nicht so, als wüsste er, was Sarah arbeitet.
Aber ich weiß es ja auch nicht. Ich glaub, ich wusste es mal, aber ich bin mir nicht sicher. Unterm Tisch fiept es, als ich mich mit meinem selbstgezapften Bier zu den beiden setze. Ich sehe unter den Tisch. Da liegt ein Schäferhund. Er hechelt, als er mich sieht, steht auf und wedelt mit dem Schwanz. Jemand hat ihn an Sarahs Stuhl angeleint.
»Seit wann hast du nen Hund?«, frage ich.
»Ist nur in Pflege. Eine Freundin ist verreist, und weil ich ihn nicht bei mir zu Hause lassen will,nehme ich ihn mit ins Büro.« Sarah beugt sich zu ihm runter und sagt: »Leg dich hin.«
»Und wie heißt er?«, fragt der Lockenkopf.
»Kolja«, sagt Sarah und: »Leg dich hin«, denn der Hund hat seinen Namen gehört und ist aufgestanden. »Leg dich hin«, wiederholt sie. Er legt sich offenbar, sehen kann ich es nicht. »Aber ich nenn ihn Cognac, da hört er auch drauf.«
An der Tischkante erscheint eine Hundenase.
»Leg dich hin«, sagt Sarah.
»Ja, darauf hört er auch«, sage ich.
»Und bei dir so? Gibt’s Neues?«, fragt mich Sarah.
»Ach«, ich ziehe die Schultern hoch. »Nichts. Wie immer. Der Laden läuft. Alles bestens.« Ich erzähle den beiden nichts von der bevorstehenden Ausstellung, erfahren sie früh genug, und auf eine Diskussion über moderne Kunst habe ich im Moment keine Lust.
»Na, darauf trinken wir doch mal«, sagt Sarah, »dass nichts Besonderes ist. Weißt du, was ich mir immer sage, wenn ich nach Hause komme und der Briefkasten leer ist?« Sie macht eine Kunstpause. »Wenigstens keine schlechten Nachrichten, sage ich mir dann immer.«
»Prost«, sagt Locki.
Wir trinken.
Manuela eilt mit einem Block voller Bestellungen an uns vorbei, hinter den Tresen zu Rolf und grinst mich im Vorbeihuschen fröhlich-verschwörerischan. Es war ein Fehler, ihr das zu erlauben, jetzt wird sie die ganze Zeit, bis zur Eröffnung hier grinsen und lächeln und gute Laune verbreiten. Na, vielleicht kriegt sie ja eine Woche vor der Vernissage Lampenfieber mit Durchfall und allem.
»Und bei euch?«, frage ich.
»Och«, sagt der Lockenkopf und blickt auf die Uhr.
»Erwartest du jemanden?«, fragt Sarah.
»Nee, aber Armin wollte noch kommen«, sagt er.
»Seid ihr verabredet?«
»Nee, aber ...«
Mit Armin muss man nicht verabredet sein. Erstens, weil er sowieso jeden Abend hier ist oder fast jeden Abend, und zweitens: Mit Armin muss man nicht verabredet sein.
»Kann ich euch noch was bringen?« Manuela steht neben unserem Tisch. Wie ein Springteufelchen, ein ein Meter achtzig großes Springteufelchen. Und sie wackelt lustig und dreht sich leicht aus der Hüfte hin und her, als wären wir in München aufdem Oktoberfest und sie finge gleich zu jodeln an.
»Danke«, sagt Sarah.
»Nö«, meint der Lockenkopf.
Kopfschüttelndes »Hab noch« meinerseits.
»Oh, wer ist das denn?« Manuela hat den Hund entdeckt und hockt sich hin. Der Hund steht auf und wedelt mit dem Schwanz.
»Er heißt Kolja«, sagt Sarah und sofort sieht Kolja zu ihr.
»Kolja«, sagt Manuela und sofort sieht der Hund wieder meine Kellnerin an. »Du bist ja ein Braver.« Der Hund leckt ihr das Gesicht ab.
»Pass auf, der beißt«, sage ich.
»Ach, Unsinn, der beißt doch nicht.«
»Kennst du dich aus?« fragt Locki.
»Meine Eltern züchten Labradore. Hm? Mein Kleiner, ich bring dir mal was zu trinken. Haben wir Näpfe?«, fragt sie mich und steht auf. Kolja blickt schwanzwedelnd zu ihr hoch.
»Leg dich hin«, sagt Sarah.
»Musst du mal Rolf fragen«, sag ich. »Was weiß denn ich, ob wir in meiner Kneipe Näpfe haben.«
»Sollten wir aber«, meint Manuela und streicht mir im Weggehen mit der Hand, mit der sie den Hund angefasst hat, über den Oberarm, dann wackelt sie lustig weg.
»Und wasch dir die Hände«, sage ich.
»Aye Sir«, ruft sie zurück.
»Was ist denn mit der?«, fragt Sarah. »Verknallt?«
»Drogen oder so«, sage ich. »Was weiß denn ich.«
Dann höre ich draußen Schreie. Hohe, panische Schreckensrufe von Frauen und darunter bassige Stöhner von Männern, wie wenn man nachts im Dunkeln auf eine Maus tritt oder einem eine Spinne übers Gesicht krabbelt oder der Sensenmann zur Tür reinkommt.
Der Sensenmann kommt zur Tür rein. Groß, mit knochigem, weißem Gesicht, schwarzgrauer Kutte mit Kapuze und – Sense. Mit der Klinge bleibt er
Weitere Kostenlose Bücher