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Ansichten eines Klaus - Roman

Ansichten eines Klaus - Roman

Titel: Ansichten eines Klaus - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael-André Werner
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beginnen zu kritzeln.
    »Auf drei haltet ihr die Tafeln hoch. Eins, zwei«, Petra fabriziert einen Fehlstart und reißt ihre Tafel als Allererste ganz, ganz hoch, »drei!«
    Auf Gregors Tafel steht psychologisch korrekt »Rot«. Rot ist die Farbe der Liebe. Liebe ist die Lieblingsliebe von Frauen, Petra ist eine Frau, außerdem ist gerade Hochzeit, also Rot.
    Leider falsch.
    »Na, da geben wir mal einen halben Punkt«, ruft Paula, denn Petra hält das Wort Orange in die Höhe. Das stimmt zwar nicht, denn Petras Lieblingsfarbe ist Grün oder war Grün, als wir noch zusammen waren, aber hier kommt es auf Übereinstimmung an, nicht auf Richtigkeit.
    »Frage zwei. Das ist eine Wissensfrage, da könnt ihr beide gleichzeitig antworten: Wie heißt der Film, den das Brautpaar zum ersten Mal zusammen im Kino gesehen hat? Also bei diesem Film wart ihr beide zum ersten Mal zusammen im Kino, ja?«
    Kritzel, kritzel. Atemlose Spannung, die Hochzeitsgesellschaft schweigt, schmatzt und stößt auf.
    »Eins, zwei ...«
    Wieder ist Petra die Erste im Tafelhochhalten. Dafür gibt’s aber keine Extrapunkte.
    »Drei.«
    »Leg dich nicht mit Zohan an.«
    Ich weiß zwar nicht, ob das richtig ist, aber die Antworten stimmen immerhin überein. Na, Gott sei Dank! Juhuu, ein Punkt für beide. Paula macht einen Strich auf ihren Zettel.
    »Nächste Frage an Petra. Wie heißt Gregors Lieblingsschauspielerin?«
    Jemand lacht anzüglich, ob das jetzt auf die Frage bezogen ist oder einfach nur ein Privatwitz, lässt sich nicht erkunden. Aber der Lacher hat schon recht. Achtung, Gregor! Fangfrage! Schreib was Harmloses auf, schreib Tilda Swinton oder Margaret Rutherford oder Maggie Smith. Schreib nicht Angelina Jolie oder gar Jessica Alba. Überhaupt, was für eine dumme Frage. Man kann den eigenen Lieblingsschauspieler doch nicht ohne eine bestimmte Rolle nennen. Cate Blanchett war in Coffee and Cigarettes grandios, im Herr der Ringe war sie zum Brechen.
    Diesmal schafft es Petra, nicht die Erste zu sein, sondern wartet bis drei.
    Wer ist Anne Hathaway? Und wer ist Rachel McAdams? Und weiß wenigstens Petra, wen Gregorda aufgeschrieben hat? Was sehen die beiden denn für Filme?
    »Ohhhhh«, sagt Paula. »Das gibt leider wieder keinen Punkt. Für keinen von beiden. Aber jetzt vielleicht. Gregor, welchen Schauspieler findet die Petra supergut?«
    Ich muss aufs Klo. Dieser kranke Österreicher, denke ich auf dem Weg, wie heißt der denn noch gleich. Der immer diese Irren spielt und Massenmörder und in dem Tarantino-Film. Ich mache die Tür auf. Ich hab leider nichts zu lesen mitgenommen, sonst würde ich noch länger bleiben, also stehe ich keine fünf Minuten später wieder draußen am Tresen hinter Manuela, die das Ganze gespannt verfolgt und frage: »Hab ich was verpasst?«
    »Ja«, flüstert Manuela, »bei der Frage nach seiner Lieblingsschauspielerin ...«
    »Da war ich noch da.«
    »Okay, also dann kam die Frage nach ihrem Lieblingsschauspieler, den hatte der Bräutigam richtig, ich weiß aber nicht mehr, wer es war. Dann kam eine Frage nach dem Lieblingsurlaubsort, Lieblingshaustier, Lieblingskleidungsstück. Also welches ist das Lieblingskleidungsstück am ...«
    »Jaja, am jeweils anderen, schon verstanden.«
    Alexander steht auf und drängelt sich hinter den Stühlen hindurch. »Da hat der Bräutigam ›nackt‹ geschrieben«, sagt Manuela.
    Superlustig. Haha.
    »Und Petra?«, frage ich.
    Alexander schleicht rückwärts an der Theke entlang, dreht sich dann um ...
    »Weiß nicht mehr«, sagt Manuela.
    »Rolf?«
    »Was?«, fragt Rolf.
    »Kleidungsstück?«
    »Kleidungsstück?«, fragt Rolf.
    »Nicht so wichtig«, winke ich ab.
    Alexander geht an uns vorbei, lächelt Manuela kurz an und verschwindet dann im Flur, wahrscheinlich Richtung Klo.
    »Ein Punkt für meine Schwester«, jubelt Paula. »Die nächste Frage geht wieder an Gregor. Wie viele Freunde, also Lebensabschnittspartner, hatte Petra bis zur Hochzeit? Nur die festen Freunde, nicht die One-Night-Stands.«
    Großes Geraune und Gelächter.
    Armer Gregor, du bist so was von tot. Der Bräutigam kritzelt lange auf seiner Tafel herum. Junge, die Zahl, die du schreiben sollst, ist einstellig. Und sie lässt sich in einem Zug aufschreiben, ohne abzusetzen.
    Die junge Frau in dem orangenen Schlauchkleid schlängelt sich an der Wand entlang Richtung Theke und dann zum Klo.
    Der Bräutigam schreibt immer noch. Der schreibt sich um Kopf und Kragen. Das Gemurmel im Zuschauerraum ebbt nicht

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