Ansichten eines Klaus - Roman
sich nah zu ihr, um ihr etwas zuzuflüstern. Sie grinst, bedankt sich, dreht sich um und kommt zu uns zurück.
Sie grinst immer noch, als sie Rolf den Teller hinstellt. Ich würde gern Alexanders Gesicht sehen. Ist er enttäuscht, dass die wohlausgewählten Speisen nicht für die hübsche Kellnerin, sondern für den Zapfer am Tresen sind?
»Bitte schön. Das Beste vom Besten. Nur für meinen lieben Chef.«
»He!«, sagen Corinna und ich gleichzeitig, sicher aus unterschiedlichen Gründen. Corinna mag eifersüchtig sein, aber ich bin hier der liebe Chef.
»Was denn?«, fragt Manuela und rauscht wieder ab, leere Gläser abzuräumen.
Als Paula wieder reinkommt, folgt ihr ein Mann durch den Vorhang. Ein später Gast, denke ich. Der ist dem ganzen Kitsch mit dem Willst-du-willst-du-auch-dann-erkläre-ich-euch-jetzt-mal-Jubel-Jubel-Reiswerf-wie-bei-Rocky-Horror und so weiter aus dem Weg gegangen und will nur die Party und das Essen. Dann erkenne ich ihn, und schneller als Paula »Raus!« sagen kann, stehe ich vor Armin.
»Geschlossene Gesellschaft«, sage ich.
»Was ist denn hier los?«, fragt er.
»Hochzeitsfeier«, erkläre ich. »Wir haben geschlossen.«
»Hättste ja mal was sagen können.«
»Das habe ich. Seit einer Woche erinnere ich dich jeden Tag daran, dass heute zu ist.«
»Hättste ja auch mal ein Schild an die Tür hängen können.«
»Da hängt eins!«
»Hab ich nicht gesehen.« Er zieht den Mantel aus. »Nur ein Bier, dann bin ich ja auch schon weg.«
»Das bist du jetzt schon. Heute gibt’s kein Bier.«
»Der da hat Bier.« Armin zeigt vage in den Raum.
Und tatsächlich, einige der gemeinten Menschen tragen ganz offen Gläser mit Bier mit sich herum.
»Der ist auch eingeladen.«
»Ach, und ich nicht?«
»Nicht von der Braut jedenfalls.«
»Ist das da die Braut?« fragt er und zeigt auf Petra, die Frau in Weiß, die ganz offensichtlich die Braut ist.
»Ja.«
»Die kenn ich irgendwoher.«
»Das ist Petra.«
»Die sieht ein bisschen aus wie deine ...«
»Ja, weil sie es ist. Das ist Petra.«
»Ich geh mal schnell gratulieren.«
»Armin!« Weg ist er.
»Manuela«, wende ich mich an meine beste Kellnerin und Rausschmeißerin, »kümmerst du dich bitte mal um Armin?« Ich weiß, dass sie einen besseren Draht zu ihm hat, da wird er von Paula auch schon Richtung Tür geschoben.
»Mein Mantel«, ruft er, und Manuela schnappt sich seinen Mantel von einer Stuhllehne und geht auf die beiden zu. Die beiden Frauen wechseln ein paar Blicke, ein kurzes Anfunkeln, dann lässt Paula Armin los und verschwindet in der Menge. Rausgeschmissen wird immer noch von uns.
Ich hocke mich wieder an den Tresen.
»Willst du eigentlich auch ein Bier?«, fragt Rolf.
»Nö, noch nicht.«
Jemand schlägt wieder an ein Glas. Der Pianist spielt wieder einen Tusch. Paula steht am anderen Ende meiner Kneipe hinter dem Brautpaar wie eine Bodenturnerin vor dem Startschuss. Ihr ganzer Körper ist eine gespannte Stahlfeder. Das hab ich zuletzt bei meiner alten Musiklehrerin vor dreißig Jahren gesehen – hochhackige Schuhe, Knie zusammen, Rock bis kurz über die Knie, kerzengerade, die Oberarme am Körper, die Unterarme nach vorn, die linke Hand wie zum Karateschlag, die rechte das Om-Zeichen, Blick geradeaus. So, liebe Kinder ... »So, liebe Gäste«, sagt Paula, »jetzt kommen wir zu den Spielen.«
»Doch«, sage ich zu Rolf, »gib mir mal ein Bier.«
»Zunächst einmal«, sagt Paula, »wollen wir herausfinden, wie gut sich das Brautpaar überhaupt kennt und ob Petra und Gregor zusammenpassen.«
Das Auditorium lacht, einige johlen etwas Anzügliches, einer ruft »Zu spät!« in den Raum.
Petra und Gregor lächeln.
Noch.
Damit keiner der beiden schummeln kann, werden sie jetzt Rücken an Rücken gesetzt, mit einem Abstand von gut einem halben Meter, damit sie nicht heimlich tuscheln können oder sich mit den Schulterblättern geheime Signale zumorsen. Sie müssen ihre Antworten auf große abwischbare Plastiktafeln schreiben. Damit ist alles vorbereitet, verteilt und erklärt und die Spiele können beginnen.
Ein Tusch.
»Fangen wir mit etwas Leichtem an. Schreibt bitte beide die Lieblingsfarbe eures Angetrauten auf, also Gregor schreibt Petras Lieblingsfarbe, nein, nein, stopp, stopp, stopp.« Petra und Gregor schauen verwirrt. »Äh, nein, wir machen es anders«, sagt Paula. »Zuerst schreibt ihr beide Petras Lieblingsfarbe auf. Du, Petra, deine und, Gregor, die, von der du denkst, es sei Petras.«
Beide
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