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Ansichten eines Klaus - Roman

Ansichten eines Klaus - Roman

Titel: Ansichten eines Klaus - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael-André Werner
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immer ohne uns losgezogen. Und das eine Mal, wo sie uns zum gemeinsamen Essen eingeladen hatten, kurz nach dieser Einzugsparty, da war der Herr Nieuwhus ja vor lauter Überstunden gar nicht mehr aus dem Büro gekommen – Krise in der Firma, Pressekonferenz vorbereiten, und tatsächlich hätte ich ihn dann am nächsten Tag beinah stündlich im Fernsehen sehen können. Hätte ich nur gewollt. Strukturmaßnahmen, Anpassung, Konsolidierung.
    Und nun hat Ilka ihn vor die Tür gesetzt, damit er sich schon mal anpassen kann an die Umstrukturierung ihrer Beziehung. Vielleicht gibt es ja am Schluss auch eine Konsolidierung.
    Er trinkt einen Schluck Kaffee, schaut mich wieder an, sagt: »Was ist?«
    »Nichts«, sage ich.
    »Mann, mein Kopf«, sagt er, als er vorsichtig die Tasse hinstellt, »Sag mal, hast du eine Aspirin?«
    »Ich habe alles, was auf der Karte steht«, antworte ich. Das ist eine Kneipe hier und keine Apotheke. Wenn ich eine Apotheke hätte aufmachen wollen, hätte ich eine Apotheke aufgemacht, keine Kneipe. Die Apotheke ist die Straße runter und dann an der Ecke. Ich schüttle den Kopf. Natürlich liegt hinten in der Küche die Familienpackung Aspirin. Aber eben für die Familie, ich kann ja meine Angestellten hier nicht mit Kopfschmerzen rumlaufen lassen. Die lassen was fallen oder bedienen zu langsam oder vergessen Bestellungen.
    »Wär doch ’n schönes Geschäftsmodell«, sagt er. »Auf der Karte unter Extras ein paar Schmerzmittel. Rezeptfrei.«
    »Bin ich eine Apotheke?«
    »Ich mein ja nur.«
    »Nicht so viel trinken«, sage ich und beiße in meine Schmalzstulle, die ich mir inzwischen geschmiert und ein bisschen vor seiner Nase hin und her gewedelt habe.
    Er lacht. »Musst du als Kneipier grad sagen. Nee, ich hab gar nicht so viel getrunken.« Er greift sich in den Nacken. »Ist nur alles verspannt. Vom Schlafen. Und zieht bis hier hoch.«
    »Ach so«, sage ich, »na dann.« Ich sage nicht: selbst schuld. Hättest ja nicht auf dem Boden schlafen müssen. Hättest ja nicht mit anderen Frauen flirten müssen, dann hätte Ilka dich auch nicht rausgeschmissen.
    »Na ja«, sagt er und macht sich auch eine Stulle. Mit Butter.
    »Was, na ja?«
    »Na ja, selbst schuld«, sagt er. »Ich hätte ja nicht mitkommen müssen. Bin nicht so der Partytyp.«
    Soso, denke ich, das ist ja mal ganz was Neues. »Aber zur Hochzeit der besten Freundin der Freundin nicht zu gehen«, sage ich, »das ist ja auch nicht nett. Ich meine, läufst den beiden sicher noch eine Weile über den Weg. Vielleicht kann der Bräutigam mal helfen, so jobmäßig.«
    Alexander lacht und schüttelt den Kopf. »Ich glaub nicht, dass der mir bei der Karriere mal helfen kann.«
    »Wieso, was macht er denn?«
    »Was weiß ich. Aber ich glaube wirklich nicht, dass er mir mal helfen kann.« Alexander trinkt langsam ein paar Schlucke. »Aber natürlich, nett wäre es nicht gewesen, nicht zur Hochzeit zu gehen. War auch nur so dahingesagt.« Er breitet die Arme aus. »Und – ich war ja da.«
    Eine Fanfare hätte jetzt gut gepasst, denke ich, habe leider gerade keine parat.
    »Wäre nur besser gewesen, wenn ich nicht dagewesen wäre, aus praktischen Erwägungen.«
    »Aus praktischen Erwägungen?«, frage ich.
    »Na, um kritischen Situationen aus dem Weg zu gehen.«
    »Kritische Situationen?«
    »Party«, sagt er, »schöne Frauen, schöne Kleider, tiefe Ausschnitte, eifersüchtige Freundinnen.«
    Einschlägiges Vorstrafenregister, ergänze ich im Kopf und sage: »Natürlich grundlos.«
    Er beißt von seiner Stulle ab, kaut und redet mit vollem Mund weiter. »Na ja, es gab da mal Vorfälle ...«
    »Vorfälle?«, frage ich, ich will eigentlich gar nichts davon hören oder darüber sprechen.
    »Na, Vorfälle eben. Du weißt schon.«
    Aber hallo, mehr als ich möchte. »Ich weiß gar nichts«, sage ich und beende das Thema.
    Er dreht sich halb um auf dem Stuhl, ohne aufzustehen, greift in die Innentasche der Jacke, holt sein Smartphone hervor, wischt darauf herum und schaut nach neuen Nachrichten.
    »Und?«, frage ich, nachdem ich ihm eine Weile zugesehen habe.
    »Nichts«, sagt er, »nichts Wichtiges.«
    »Anrufen?«, rege ich an.
    » Sie hat mich rausgeschmissen – sie sagt, wann ich wieder auftauchen kann.« Er sagt das so, als müsste er nur noch ein »Das haben wir immer schon so gemacht« anhängen. Aber da kommt nichts.
    »Und, wie wäre es mit entschuldigen?«, schlage ich vor.
    »Was?«, fragt er und legt das Handy neben die Butter. »Wofür? Es

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