Ansichten eines Klaus - Roman
und geht in die Küche, kommt miteinem Mopp und einem vollen Eimer zurück und fängt zu wischen an, in der Ecke, wo wir gesessen haben.
»Du musst die Stühle hochstellen«, sage ich und verzieh mich hinter den Tresen.
»Stühle hochstellen, aye, aye, Sir«, sagt er.
»Aber vorher den Tisch abräumen.«
»Aye, abräumen, Sir«, ruft er und wischt.
»Feucht durchwischen«, sage ich, »nicht nass. Das soll heute noch trocknen.«
»Feucht, aye, aye«, ruft Alexander und versucht, den Mopp besser auszuwringen. »Das habe ich ja ewig nicht mehr gemacht«, lacht er.
»Ach«, sage ich und fange an, die Spüle zu putzen, »zu Hause putzt wohl die Freundin.«
»Putzfrau«, sagt Alexander.
»Reinigungskraft«, sage ich. Klar, hätte ich mir denken können. Und mit der hat er dann gleich auch noch was. Irgendeine junge hübsche, dunkelhaarige, kleine, schlanke Polin.
»Und was war mit der im engen orangenen Kleid gestern?«, frage ich.
Er hält überrascht inne und stützt sich auf den Mopp. »Was?«
»Die dünne, junge. Orangenes Kleid, eng. Ihr musstet zufällig gleichzeitig aufs Klo.«
»Sagtest du nicht, dass du nicht hier warst?«
»Ich sagte, ich hab kurz reingeschaut. Und du hattest gestern doch was ...«
Er atmet hörbar ein. »Wir haben nur ...«
»Geknutscht«, ergänze ich.
»Nein«, er wischt weiter, »ein bisschen mehr schon. Aber ...«, sagt er, spricht dann aber nicht weiter.
»Aber nichts Ernstes«, sage ich und kann irgendwie einen ironischen Unterton nicht verhindern.
»Ist das ein Verhör?«, fragt er. »Wenn das ein Verhör ist, dann gut, dann kann ich ja gleich alles gestehen. Ich habe sie geleckt. Und ja, es ist immer was Ernstes!« Er stößt den Mopp ins Wischwasser, dass es aus dem Eimer herausschwappt. »Das ist es ja. Es ist immer was Ernstes.«
»Dann hat deine Freundin also allen Grund, eifersüchtig zu sein.«
Alexander dreht sich von mir weg und wischt weiter. »Sagen wir mal so ...«, erklärt er, »ich kann verstehen, dass sie es ist. Wie gesagt: Vorfälle.« Dann dreht er sich beim Wischen zu mir. »Aber einen Grund hat sie eigentlich nicht. Sie weiß es ja. Wir haben schon einiges hinter uns.«
Ja, ich hörte davon, denke ich und: Dir ist schon klar, dass du ein Arschloch bist.
Er nickt. »Es ist eben«, sagt er, »in dem Moment ... ist es eben echt. Richtig und wahrhaftig. Jedes Mal. Das macht es ja so schwierig. So kräftezehrend. So schlimm.«
»Und Ilka?«, frage ich und hoffe im nächsten Moment, er merkt nicht, dass ich den Namen seinerFreundin weiß, den hat er nämlich noch gar nicht erwähnt.
»Das«, sagt Alexander und wischt weiter den Boden am Tresen entlang, »das ist eine ganz andere, na, ich möchte fast sagen, andere Qualität. Geborgenheit. Austausch. Seelenverwandtschaft, wenn das nicht so esoterisch klingen würde. Seelenverwandtschaft«, murmelt er noch mal beim Weiterwischen und feudelt den Schankraum dann schweigend bis zu Ende. Als er hinter den Tresen will, verzieh ich mich in die Küche und blicke eine Weile in den Hof. Gegenüber sitzt die Katze hinter dem Fenster und putzt sich.
Als ich aus lauter Langeweile die Papierservietten nach Farbe und Packungsgröße sortiere, kommt Alexander in die Küche. »Ich glaube, ich werd dann mal losziehen«, sagt er. »Ilka hat sich zwar noch nicht gemeldet, aber ich werde erst mal in meine andere Wohnung gehen und mich frisch machen. Und so.«
»Und so«, sage ich.
»Ja«, wiederholt er. »Vielleicht noch ein bisschen schlafen.«
»Na denn«, sage ich und halte ihm die Tür zum Treppenhaus auf, »hier links und durch die Tür da.«
»Danke für’s Frühstück«, sagt er. »Man sieht sich.«
»Jaja«, antworte ich und denke: Man hört voneinander.
VOR ZWEI JAHREN
Es war einmal ein Mann, der ging immer fremd und mit anderen Frauen als der seinen ins Bett, bis ihn seine Freundin verließ. Weil er aber so toll im Bett war oder so charmant oder erfolgreich oder weil er sie zum Lachen brachte, verzieh sie ihm. Doch der Mann ging wieder fremd und mit anderen Frauen ins Bett und nicht nur dorthin und trieb es mit ihnen, dass man es gar nicht beschreiben möchte, und die Frau verließ ihn wieder. Und so kam es, dass die Frau eines Abends im Theaterklaus saß, zusammen mit meiner Freundin, die da hieß Petra, und bitterlich weinte. Also nicht die Petra und auch nur bildlich, denn bitterlich geweint hatte Ilka schon vor einer Woche, als sie sich von Alexander getrennt hatte, jetzt klagte sie bitterlich und
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