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Ansichten eines Klaus - Roman

Ansichten eines Klaus - Roman

Titel: Ansichten eines Klaus - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael-André Werner
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erpressen«, sage ich zu der Katze. »Na, wie findest du das? Katze gefunden, abzuholen bei ... Was meinst du?«
    Während ich rede, drehe ich am Griff und ziehe vorsichtig das Fenster auf, damit ich die Katze nicht vom Fensterbrett fege, aber die ist geschickt, ist ja auch eine Katze. Sie ist längst aufgestanden, um das Fenster herumgeschlichen und drängelt sich durch den Spalt, kaum dass sie durchpasst. Tritt auf dasFensterblech, springt runter in den Hof und raus aus meinem Blickfeld.
    »Auf Wiedersehen. Schön, dass Sie da waren. Beehren Sie uns bald wieder.« Ich schließe das Fenster, da taucht sie wieder auf, unter dem Küchenfenster gegenüber. Setzt sich hin und miaut. Das kann ich zwar nicht mehr hören, aber sehen kann ich es schon, wie das kleine Mäulchen aufgeht. Na dann, viel Glück, kleines Kätzchen, es ist kalt draußen, aber du hast ja dein Fell an.
    Ich dreh mich um und setze erst mal Wasser auf für Kaffee. Für Alexander werfe ich doch nicht den teuren Barista-Automaten an, den ich sowieso nicht richtig bedienen kann, für Herrn N. gibt’s nur Kaffee aus der billigen TCM-Kaffeemaschine. Ich gehe nach vorn, mache die Tür zu, kräftig, sie klemmt manchmal, fällt mir ein, da muss man schon mal ein bisschen kräftiger und zweimal, dreimal. Und dann abschließen, schlüsselklappernd abschließen. Oberes Schloss, dann unteres Schloss. Glück gehabt, dass sich noch kein Gast durch die offene Tür verirrt hat, morgens halb zehn in Deutschland, die letzten Heimkehrer wanken nach Hause und fallen aus Versehen durch offene Kneipentüren in die gerade geöffnete Wirtschaft. Ist kein Witz. Hatten wir alles schon. Vergessliche Gestalten, die nicht mehr wussten, ob sie in die Kneipe reinwollten oder aus ihr rauskamen, die aus der Kneipe kamen, sich einmal um sich selbstdrehten, nicht mehr wussten, wo sie waren oder wohin sie wollten. Die Alkheimersche Krankheit. Schlimm, aber gut für uns Wirte. Ich werfe einen Blick in die Ecke neben dem Tresen. Alexander schläft. Die Stühle stehen noch auf den Tischen, bleibt genug Zeit, mal kurz durchzufegen. Ich hol den Besen. Erst die Ecken, dann die Kanten, dann alles zwischendrin. Gründlich. Gründlich ist, wenn’s klappert, hat meine Mutter beim Putzen immer gesagt, wenn sie gefegt hat. Fegegeklapper. Ich muss an jede Scheuerleiste gründlich ran, an jedes Tischbein. Bei Alexander passe ich natürlich auf. Jedes Mal, wenn ich ihn mit dem Besen berühre, sage ich leise: »Entschuldigung.« Am Fuß. »Entschuldigung.« Am Knie. »Entschuldigung.« Als ich ihm über die Hand fege. »Entschuldigung.« Am Kopf entschuldige ich mich sogar zweimal. Dann schiebe ich den ganzen zusammengefegten Dreck zur Tür raus, schade, dass ich schon abgeschlossen hatte, jetzt muss ich noch mal aufschließen, schlüsselklappernd, erst unten, dann oben. Ich wünsche der alten Frau Meier aus dem Ersten einen guten Morgen, aber sie grüßt nicht zurück, hat mich entweder nicht erkannt oder vergessen, wer ich bin. Aber immerhin schüttelt sie den Kopf ob dem, was ich da tue. Dann schließe ich die Tür wieder, die klemmt, oberes Schloss, unteres Schloss, und mache schließlich den Vorhang vor.
    Ich stelle den Besen weg, gehe in die Küche, wo der Kaffee durchgelaufen ist, und werfe einen Blick aus dem Fenster. Lassie sitzt immer noch unter dem Fenster gegenüber und miaut. Romeo und Julia, aber Julia hört nichts und ob Romeo wirklich ein Kater ist, weiß ich auch nicht. Aber Julia ist immerhin schon mal wach, sehe ich jetzt, sie wuselt in der Küche umher, fast sieht es aus, als würde sie tanzen, wahrscheinlich hat sie das Radio an.
    Ich winke zu ihr rüber, vielleicht sieht sie mich, wenn sie ihre Katze schon nicht hört, wahrscheinlich ist das Radio laut gestellt, aber nein, sie sieht mich nicht. Wenn sie vom Herd zum Tisch oder zur Spüle tanzt, dreht sie sich immer vom Fenster weg. Na ja, nicht mein Problem. Wenn sie ihre Katze im Hof verhungern und erfrieren lassen will, bitte. Ich fülle den durchgelaufenen Kaffee in eine undekorative Thermoskanne und bringe ihn mit zwei Tassen nach vorn.
    »Morgen!«, rufe ich fröhlich, knalle Kaffee und Tassen auf den Tisch, unter dem Alexander liegt, und gehe Milch, Zucker und Löffel holen. Als ich zurückkomme, bewegt er sich immerhin schon. Als ich noch mal in die Küche gehe und mit Brot, Butter, Schmalz, einem angefangenen Glas saurer Gurken, Besteck und Tellern wieder da bin, hat er sogar schon die Augen auf und reibt sie sich etwas

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