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Anständig essen

Anständig essen

Titel: Anständig essen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Duve
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Lebensmittelbranche haben auch im Bio-Handel längst Supermarktketten die meisten der kleinen Tante-Emma- bzw. Eine-Welt-Läden um die Ecke verdrängt, und Bio-Ernährung haftet schon lange nicht mehr der Ruch von Öko-Mief und Selbstgestricktem an. Die Kunden sind vor allem schicke, gut verdienende, fittnesbewusste junge Leute. So habe ich das wenigstens in meinen Büchern über Bio-Ernährung gelesen. Kann ja sein, dass das anderswo so ist, in der Kreuzberger Bio-Company hängen jedenfalls immer noch Angebote für schamanistische Workshops am Schwarzen Brett und die Kunden sehen erfreulicherweise immer noch wie Kreuzberger aus – schon schick, aber die alternative Variante. Bei dieser Witterung tragen sowieso alle dicke Wollschals und Sukkulenten-Mützen. Ich schnappe mir einen Einkaufswagen. Es ist ein normal großer Gitterwagen, wie es sie früher überall gab, bevor sie in den konventionellen Discountern durch kunststoffverstärkte Super-Size-Einkaufspanzer mit dem Ladevolumen mehrerer Bruttoregistertonnen und extra breiten Griffen für die Wurstfinger der 200-Kilo-Kunden ersetzt wurden. Das Angebot in der hellen, 500 qm großen Bio-Company wirkt übersichtlich und kultiviert. Was es in den gut sortierten Regalen nicht gibt, braucht der intelligente und disziplinierte Kunde nicht. Jiminy drängt mich, zwei Walnuss-Brownies am Backwaren-Tresen zu kaufen – für 1,85 Euro das Stück nicht gerade geschenkt! Allerdings – Jiminy will, dass ich sofort probiere – sind es wirklich unglaublich gute Brownies, einfach phantastisch, die Art von Brownies, nach deren Vorkommen man sein Urlaubsziel aussuchen würde. Ebenfalls sehr, sehr gut, wie Jiminy versichert, aber mit einem Preis von 2,95 Euro pro Stück so teuer, dass einem schwindlig werden kann, sollen die Mandelhörnchen sein.
    Überhaupt kommt mir schon bald der Verdacht, die Bio-Company wolle durch ihre Preisgestaltung erzieherisch auf den Konsumenten einwirken. Gesunde und naturbelassene Produkte wie Obst, Gemüse und Salate gehören zu den günstigen Waren. Also häufig kaufen, schont den Geldbeutel und die Herzkranzgefäße! Fleisch, Käse und Kuchen sind hingegen nicht nur fett oder zuckerhaltig, sondern oft auch ganz schön teuer. Selten kaufen und in kleinen Mengen als etwas Besonderes genießen, sagt die Preisgestaltung des Biomarktes. Dann dürfte es aber auch nicht so verdammt gut schmecken. Die Käsetheke zum Beispiel! Hinter der Theke steht der junge Herr Rodriguez, und nachdem ich ihm erklärt habe, was für Käse ich bisher gern aß, schneidet er ohne zu zögern von einem Uralt-Gouda, einem Heudammer und einem Ziegenkäse ab und lässt mich probieren. Wahnsinn!!! Der Uralt-Gouda ist so gut und Herr Rodriguez nicht nur kompetent, sondern auch so freundlich, dass am Ende doch mehr Käse als Gemüse im Einkaufswagen liegt. Und Fleisch. Und Schokolade. Mit Verzicht hat Bio-Ernährung nichts zu tun, allenfalls mit Luxus. Sogar eine Bio-Cola habe ich gefunden. Es handelt sich um ein schwarzes, kohlensäurehaltiges Getränk der Firma Bio-Zisch, das sich Guarana-Cola nennt. Guarana ist eine brasilianische Lianenart mit viel Koffein, das aber deutlich langsamer an den Körper abgegeben wird als bei Kaffeebohnen. Eine Light-Version davon gibt es natürlich nicht.
    Zu Hause werfe ich ein paar Eiswürfel in ein Glas, schenke ein, schwenke kurz und halte das Getränk fachmännisch gegen das Licht. Sieht aus wie Cola. Ich nehme einen Schluck. Jiminy und Bulli schauen erwartungsvoll zu. Pfui Deibel! Ich spucke das Zeug sofort in die Spüle. Die Guarana-Cola schmeckt wie ein fieses Medikament mit 25 Nebenwirkungen. Völlig ungenießbar. Möglicherweise tue ich der Firma Bio-Zisch unrecht. Geschmack ist ja auch immer eine Frage von Gewohnheiten, und ich kenne Leute, die auch mein Lieblingsgetränk Coca-Cola light schon als »krankes Gesöff« oder »ekelhafte Plörre« bezeichnet haben. Vielleicht wären diese Leute von der Guarana-Cola hellauf begeistert. Ich werde mich in diesem Leben allerdings nicht mehr daran gewöhnen.
    Nachdem ich also tapfer den Versuch mit der Bio-Cola durchgestanden habe, bin ich berechtigt, wieder Cola light zu trinken – immer vorausgesetzt, dass Cola nicht am Ende doch aus Pflanzen hergestellt wird. Die würden dann aller Wahrscheinlichkeit nach natürlich nicht aus biologischem Anbau stammen, was wiederum bedeuten würde, dass ich zwei Monate lang keine Cola light mehr trinken dürfte. Eine grauenhafte Vorstellung. Ohne Cola kann

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