Anständig essen
eines Tages wieder beim Verspeisen von Menschen antrafen, erklärten die Anhänger des Tiwa-Kultes, sie wären zu ihren alten Gewohnheiten zurückgekehrt, weilsie sich die Büffel, die 250 Gulden kosteten, nicht leisten könnten. Ein Ess-Mensch sei dagegen schon für 100 Gulden zu haben. Quellen, in denen von Kannibalismus die Rede ist, sind oft wenig seriös. Man sollte diese Anekdote also mit Argwohn betrachten, bevor man den Indonesiern eine kannibalistische Vergangenheit unterstellt. Aber es ist ziemlich wahrscheinlich, dass der Kannibalismus dort, wo es ihn gegeben hat, mit genau solchen Argumenten verteidigt worden ist. Was den Preis der Bio-Ware betrifft: Sie kann nicht so billig sein wie Supermarktware aus den Discountern, denn deren Lebensmittelpreise spiegeln nicht die echten Kosten wider, die wir alle durch Subventionen in Milliardenhöhe bezahlen. Auch die entstandenen Umweltkosten werden wieder der Allgemeinheit aufgebrummt.
Was gibt es sonst noch für Vor- und Nachteile bei Bio-Produkten? Wie gesagt: So gut wie jedes Lebensmittel ist zu haben oder doch zumindest durch ein sehr ähnliches zu ersetzen. Das Bio-Miracoli ist natürlich gar kein echtes Miracoli, sondern heißt irgendwie anders und schmeckt wie alle Spaghetti-Fertiggerichte, die das unerreichte Original nachzuahmen versuchen – also ganz passabel. Allerdings fehlt das kleine Tütchen mit geriebenem Parmesankäse. Jiminy vermutet, das liege daran, dass Bio-Parmesan so teuer sei. Ich glaube eher, dass Bio-Konsumenten diese Tütchen nicht wollen, weil mumifizierter Parmesan nicht ihrer Ernährungsphilosophie entspricht. Selbst Light-Produkte gibt es, allerdings hat die Light-Mayonnaise mich geschmacklich nicht überzeugen können. Auch viele Kekse finde ich zu staubig oder arg gesund im Geschmack. Manchmal merkt man halt doch, dass die Hersteller konventioneller Lebensmittel einfach einen jahrzehntelangen Vorsprung in der Produktentwicklung haben. Auch wenn die Bio-Unternehmer mit Riesenschritten aufholen, müssen sie ja für jede Geschmacksverbesserung, bei der sich die herkömmlichen Produzenten der guten alten Chemie bedient haben, erst ein neues Verfahren entwickeln, das auch noch umweltfreundlich und möglichst naturnah sein soll. Die Sweet-Chili-Sauce zum Beispiel schmeckt bei einem Preisverhältnis von 5:1 zwar genauso gut wie die aus dem Asia-Laden, aber als ich etwas Sauce aus der Flasche schütteln will, plumpst mir ein gallertartiger Klops – ungefähr ein Fünftel des Flascheninhalts – auf den Teller. Zum Glück handelt es sich nur um eine kleine Flasche. Da fehlen wohl die guten Geschmeidigmach- und Rieselfein-Chemikalien, die sonst in solchen Saucen sind. Das ist natürlich kein Drama. Einmal mit der Gabel durchgerührt, und die Sache hat sich. Schlimmer finde ich die wabbeligen und viel zu wenig gesüßten Lakritze. Etwas Ebenbürtiges zu Haribo-Konfekt oder Katzenpfötchen hat die Bio-Company nicht zu bieten. Der zweite große Vorsprung, den die mit Chemie und ökologischem Leichtsinn operierenden Lebensmittelhersteller gegenüber der Bio-Branche haben, ist natürlich der, dass ich bereits mit ihren Produkten aufgewachsen bin und mich an den Geschmack gewöhnt habe. Außerdem hatte ich 48 Jahre Zeit, die Marken herauszufinden, die mir am besten schmecken. Vielleicht gibt es in Nordenham oder in Oberammergau ganz tolle Bio-Lakritzen und ich habe sie bloß noch nicht entdeckt. Gute Schokoladentafeln gibt es jedenfalls überall – man darf sich nur nicht von den langweiligen, dunklen Verpackungen abschrecken lassen. Herausragend: »Ganze Mandel« von Gepa und die »Weiße Knusper« von Vivani. Übrigens habe ich noch nie zuvor so oft Dinge gegessen, die ich nie zuvor gegessen habe – etwa das gar nicht mal so üble rotgraue Johannisbeer-Apfelmus. Und ich habe echte Geschmackssensationen entdeckt. Nicht bei den Tomaten, die haben mich weiterhin tief enttäuscht, aber die Paprikaschoten schmecken viel besser als alle Schoten, die ich bisher gegessen habe. Und im Kühlregal gibt es einen Schafsfrischkäse mit Datteln und Currysoße, der seinen schönen Namen »Sultans Freude« absolut zu Recht trägt – von der Käsetheke des Herrn Rodriguez ganz zu schweigen.
Jiminy erscheint und unterbricht meinen interessanten Gedankenfluss. »Kannst du mal kommen? Ich glaube, die Beule an Bullis Bauch ist wieder dicker geworden.«
Vor einigen Tagen hat sich plötzlich eine Wasseransammlung in Bullis Leistengegend gebildet. Der Tierarzt
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