Anständig essen
erweitern, als ihn einzuschränken.
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2
Januar – alles Bio
»Es tun mir viele Sachen weh, die anderen nur leidtun.«
(Georg Christoph Lichtenberg)
Vorgabe: Ich esse in diesem Monat ausschließlich Lebensmittel, die das sechseckige EU -Bio-Siegel tragen oder bei denen mir die Produktionsbedingungen bekannt sind (Kartoffeln und Wurzeln, die mein Nachbar Zappi in meiner Anwesenheit aus der schwarzen Erde gebuddelt hat, selbst gekochte Marmelade von meiner Nachbarin Beate und Eier von den Hühnern unseres Bürgermeisters). Ausnahme: Wenn ich eingeladen bin oder in ein Restaurant gehe, darf ich auch Lebensmittel ohne Bio-Siegel essen, dann allerdings auf keinen Fall Fleisch oder Fisch.
»Sonst könnte ich ja nie mehr eine Einladung annehmen, und hauptsächlich geht es mir doch um die Tiere.«
Ich habe Jiminy zu einem umweltverträglich hergestellten und fair gehandelten Frühstück eingeladen, Roggenbrötchen mit Butter, Käse und Marmelade und Paprika-Streich (so heißt das Zeug tatsächlich). Dazu Tee und Eier. Jiminy, die sich mit öffentlichen Verkehrsmitteln durch Schnee und Eis zu mir heraus kämpfen musste, hat aus ihrem Kreuzberger Bio-Supermarkt noch Alfalfa-Sprossen, Tomaten und die Januarausgabe von »Schrot und Korn«, der »Apothekerumschau« des Bio-Handels,mitgebracht. Gleich auf der ersten Seite hat mein neues Leib- und Magenblatt die Argumente aufgelistet, warum man »Bio« kaufen sollte. Jiminy liest sie mir vor:
»Weil
– ich keine Lust auf Chemie im Essen habe.
– Bio die Arbeiterinnen und Arbeiter auf den Plantagen schützt vor Pestiziden und anderen Giften.
– Bio Nein zur Gentechnik sagt.
– Bio in puncto artgerechter Tierhaltung besser ist.
– Bio das Klima schützt.
– Bio die Ackerböden vor Erosion und Fruchtbarkeitsverlust bewahrt.
– Bio das Grundwasser vor Pestiziden und Nitraten schützt.
– ich einfach ein gutes Gefühl dabei habe.«
»Ich einfach ein gutes Gefühl dabei habe? Was ist das denn für ein blödes Argument? Und was heißt ›in puncto artgerechter Tierhaltung besser‹? Ich dachte, die halten ihre Tiere komplett artgerecht, das wäre da Vorschrift.«
Jiminy zuckt mit den Schultern. Interessant ist auch, dass Chefredakteurin Barbara Gruber in ihrem Grußwort an die Leser unverblümt zugibt, dass es wissenschaftlich nicht geklärt ist, ob Bio-Lebensmittel tatsächlich gesünder sind. Davon war ich bisher allerdings ausgegangen. Ist das nicht logisch, dass etwas, auf dem sich keine Pestizidrückstände befinden, gesünder ist als etwas mit Pestizidrückständen? Außerdem weiß ich aus einem meiner neuen Bücher über Bio-Ernährung, dass alle in Versuchen getesteten Hühner, Kaninchen, Mäuse und Ratten Bio-Futter gegenüber konventionell erzeugtem Futter eindeutig den Vorzug gaben. Jiminy und ichmachen den Menschenversuch: Der Paprika-Streich, die Gemüsepampe, die man sich aufs Brot schmieren soll, schmeckt langweilig und glitschig. Jiminy behauptet, man könne nur die Streichs mit Tomaten nehmen, alle Streichs, die auf Tomatenbasis hergestellt sind, würden ziemlich gut schmecken. Na fein. Die kann ich dann ja später ausprobieren, wenn ich Vegetarierin bin. Die aufgebackenen Roggenbrötchen finden hingegen unsere Zustimmung, aber von den Tomaten sind wir wieder bitter enttäuscht. Bio-Tomaten sollen angeblich doch so geschmacksintensiv sein, aber die hier schmecken wie nasser Teppich. Kein Unterschied zur gewöhnlichen Supermarkt-Tomate.
Ein klägliches Miauen kommt unter dem Tisch hervor. Freddy, ein uralter, grauer Karthäuserkater, versucht vergeblich, sich unter Bullis massigem Körper hervorzuwinden. Bulli fixiert ihn mit einer Pfote auf dem Boden und schleckt dem unglücklichen Tier das Ohr aus. Jiminy will, dass ich eingreife.
»Da muss Freddy durch«, sage ich, »dafür hat er es jetzt schließlich warm und trocken.«
Ich wollte nie Katzen. Erstens habe ich eine Katzenhaarallergie, zweitens sind das für mich sadistische Killer, die kleine Tiere zu Tode foltern. Aber als ich vor einem halben Jahr in dieses Haus zog, wohnten im Garten bereits zwei Kater, Simbo und Freddy. Ein Nachbar hatte sie zurückgelassen, als er mit seiner neuen Freundin in einer neuen Wohnung ein neues Leben begann, in dem für alte Kater kein Platz war. Und irgendjemand musste sie schließlich füttern. Und kraulen. Beide waren so ausgehungert nach menschlicher Zuwendung, dass sie schon sabberten, wenn man sie bloß auf den Arm nahm. Als dann nach Weihnachten
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