Anthrax
die uns übergeben werden, wird längst nicht jedes obduziert. Wir entscheiden bei jedem eingelieferten Fall, ob eine Autopsie wirklich erforderlich ist. Bei Ihrer Frau hat der behandelnde Arzt eine konkrete Todesursache festgestellt, und die war ohne jeden Zweifel mit der AsthmaVorgeschichte vereinbar. Daß Ihre Frau extrem übergewichtig war, hat sich sicher nicht gerade vorteilhaft ausgewirkt.«
»Bestimmt nicht«, pflichtete Yuri ihm bei. »Danke, daß Sie sich mit mir unterhalten haben.«
»Keine Ursache«, entgegnete Dr. Sanders. »Mein aufrichtiges Beileid!«
»Es fällt mir schwer, mit diesem Schicksalsschlag fertig zu werden«, seufzte Yuri. »Danke für Ihre Anteilnahme.«
Yuri legte auf. Er spürte, wie ihn ein wunderbares Gefühl der Selbstzufriedenheit durchströmte. Es kam ihm so vor, als ob er soeben die letzte Hürde zum Erfolg von Operation Wolverine genommen hatte und das Ziel in Sicht war. Er konnte es kaum abwarten, Curt von der Neuigkeit zu berichten.
Zunächst spülte er das Müslischälchen aus, leerte sein Wodkaglas und ging hinunter in den Keller. Fröhlich vor sich hinpfeifend, öffnete er das Schloß zu der Eingangskammer. In seiner Hochstimmung war seine Müdigkeit wie weggeblasen.
Als nächstes entfernte er das Vorhängeschloß an der Tür zur Vorratskammer. Er ging zum Regal, wählte die Nährböden und die anderen Substanzen aus, die er benötigen würde, und brachte sie nach draußen. Dann stellte er sie neben der Labortür ab, schloß sich an sein Atemgerät an und zog sich den Schutzanzug über. Fertig ausstaffiert, öffnete er die Innentür zum Labor und trug die Substanzen hinein. Als erstes nahm er die fest gewordenen Anthraxbro-cken aus dem Trockner und legte sie in die Feinmahlanlage. Kaum hatte er die Anlage eingeschaltet, war er dankbar für das Geräusch, das die Druckluft in seiner Haube verursachte. Wenigstens milderte dies den ohrenbetäubenden Lärm der in dem Metallzylinder rotierenden Stahlkugeln. Sein nächster Arbeitsschritt bestand darin, weitere Anthraxsporen aus dem Fermenter zu holen und die dünnflüssige Masse in den Trockner zu befördern. Als er damit fertig war, füllte er den Fermenter erneut mit frischem Nährboden. Dadurch stellte er sicher, daß die Bakterien sich auch weiterhin rasend schnell reproduzierten und Sporen bildeten. Schließlich wandte er sich dem zweiten Fermenter zu. Er prüfte, wie weit seine Clostridium-botulinum-Kultur gediehen war; wieder enttäuschte ihn das Ergebnis. Yuri verstand zwar beim besten Willen nicht, warum die Kultur einfach nicht wachsen wollte, zerbrach sich deswegen aber nicht mehr den Kopf. Er würde den Fermenter jetzt auf den Bacillus anthracis umstellen. Wenn beide Fermenter Anthraxsporen produzierten, würde er innerhalb weniger Tage über die erforderliche Menge von acht bis zehn Pfund des giftigen Pulvers verfügen.
Er unterbrach seine Arbeit für einen Augenblick und überlegte, wie er die Clostridium-botulinum-Kultur entsorgen sollte. Auch wenn die Kultur erheblich langsamer gediehen war, als er gehofft hatte, enthielt der Fermenter eine ungeheure Menge der tödlichen Bakterien. Er sah sich nach einer geeigneten Aufbewahrungsmöglichkeit um; doch das einzige, was er verwenden konnte, waren die leeren Nährbodenbehältnisse, und die hatte er dummerweise größtenteils weggeworfen. Die noch übriggebliebenen reichten nicht für das gesamte Botulinustoxin.
Es gab nur eine andere Lösung: Er mußte den gesamten Inhalt des Fermenters direkt in die Kanalisation einleiten. Er grübelte, ob ein solches Vorhaben unter Umständen irgendwelche Konsequenzen provozieren würde. Würde er dadurch womöglich die Behörden alarmieren? Er hielt inne und ließ sich die Problematik gründlich durch den Kopf gehen, doch ihm fiel nichts Besseres ein. Vermutlich war es den Kläranlagen-Betreibern ziemlich egal, ob sich in dem Schmutzwasserzufluß Botulinusbakterien befanden. Sie interessierten sich sicherlich einzig und allein für den Wasse-rabfluß nach der Klärung.
Zuversichtlich, die richtige Entscheidung getroffen zu haben, holte er sein im Labor deponiertes Klempnerwerkzeug hervor und machte sich an die Arbeit. Da er die Fermenter zum Spülen seiner Materialien von Anfang an an einen Abfluß angeschlossen hatte, mußte er lediglich ein paar Ventile lösen.
Diese öffnete er nun und beobachtete, wie der Inhalt der Fermentationsanlage langsam im Abfluß verschwand. Aus einem oben auf der Anlage angebrachten
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