Anthrax
irgendwann mal an«, wandte Steve ein. »Könnte doch sein.«
»Stimmt«, räumte Curt ein. »Gib Kevin eine von den Glocks. Und noch wichtiger – gibt ihm dein Handy. Wir müssen unbedingt in Verbindung bleiben.« Steve drehte sich um und reichte Kevin die Pistole und das Handy. Kevin stopfte sich beides in die Taschen. »Soll ich aussteigen und mir ein Fahrrad organisieren?«
»Nein!« befahl Curt. »Solange wir den Mistkerl nicht sehen, unternehmen wir gar nichts! Ich glaube eher, daß wir auf Plan B zurückgreifen müssen. Je mehr ich darüber nachdenke, desto besser gefällt mir die Idee, ihn anzurufen und einen von uns sich als Yuri ausgeben zu lassen.«
»Da!« rief Steve und zeigte hektisch auf einen Fahrradfahrer, der gerade in knapp drei Metern Entfernung an ihnen vorbeigesaust war. »Das ist er!«
»Du hast recht«, bestätigte Curt. »Los, Kevin. Schnapp dir ein Fahrrad!«
Kevin kam nach vorn gekrabbelt und sprang aus der Tür, die Steve ihm bereits aufhielt. Ohne eine Sekunde zu zögern, rannte er los. Steve stieg zurück in den Lieferwagen. Curt und Steve beobachteten, wie Kevin trotz seiner kräftigen Statur und seiner schweren Doc-Marten-Stiefel mühelos mit einem Satz über die Absperrung der Polizei sprang und auf einen Fahrradfahrer zustürmte, der an einem Brunnen angehalten hatte. Der Mann beugte sich gerade hinunter und trank einen Schluck Wasser. Seinen Drahtesel hatte er dabei noch unter sich, einer seiner Füße steckte sogar noch in der Pedalschlaufe. Er trug volle Radlermontur, einschließlich Helm, Radlerhose und Schutzhandschuhen. Kevin fackelte nicht lange. Ohne ein Wort stieß er den Mann um und schnappte ihm das Fahrrad unterm Hintern weg. Doch als er aufstieg und gerade losfahren wollte, hatte der Radfahrer sich schon wieder so weit bekrabbelt, daß er seinen Besitz am Lenker packte und Kevin am Wegfahren hinderte. Kevin ballte seine riesige Hand blitzschnell zu einer Faust und verpaßte dem Mann einen K.o.-Schlag. »Der hat gesessen«, staunte Steve.
Obwohl es um den Brunnen herum von Menschen wimmelte, hatten nur wenige den Blitzüberfall beobachtet. Einige eilten herbei, um dem am Boden liegenden Radler zu helfen; Kevin ließen sie jedoch unbehelligt davonbrausen. Er trat wie ein Irrer in die Pedale, um Jack einzuholen. Die Sonne war zwar schon untergegangen, doch man sah noch relativ gut. In der Ferne konnte Kevin seinen Feind erkennen; der radelte zielstrebig in Richtung Norden. »Zum Glück ist wenigstens diese Aktion glattgegangen«, konstatierte Steve. »Was machen wir jetzt? Bleiben wir hier stehen?«
Curt musterte die Umgebung, als ob er von dort eine Antwort erwartete. Nach einer Weile schüttelte er den Kopf. »Nein. Ich glaube, wir sollten zur Central Park West rüberfahren. Wenn dieser Dr. Stapleton auf der Upper West Side wohnt, muß er da irgendwo den Park verlassen.« Er legte den ersten Gang ein und fuhr mit normalem Tempo auf der Central Park South in Richtung Westen. Währenddessen kramte er sein Handy hervor, vergewisserte sich, daß er Empfang hatte, und legte es aufs Armaturenbrett.
Kapitel 20
Mittwoch, 20. Oktober, 18.30 Uhr
Tack richtete sich auf, nahm die Hände vom Lenker und J rollte freihändig den mit Herbstlaub übersäten Weg entlang. Er fuhr direkt auf die Central Park West und den gegenüber der 106th Street gelegenen Parkausgang zu. Bei dem wunderschönen Wetter war die Fahrt durch den Park einfach herrlich gewesen. Der erste Teil seines Nachhauseweges, die Strecke über die First Avenue, hatte wie immer ein bißchen an seinen Nerven gezerrt, aber irgendwie liebte er diese kleinen Adrenalinstöße auch. Als er den Pulitzerbrun-nen umrundet hatte, war er in einer solchen Hochstimmung gewesen, daß er kurzfristig in Versuchung war anzuhalten und die im Abendlicht erstrahlende nackte Abundance-Statue zu bewundern. Doch am meisten hatte ihm wie immer die Fahrt durch den Park gefallen. Als das Menschengewimmel am Parkeingang hinter ihm zurückblieb, hatte er voll in die Pedale getreten. Er war sich vorgekommen wie in einem Traum, in dem er fliegen konnte.
Er wartete, bis die Ampel auf Grün umsprang, überquerte die befahrene Central Park West und radelte in seine Straße ein. Da inzwischen die Abkühlphase seiner Tour dran war, hatte er in einen kleinen Gang heruntergeschaltet und strampelte sehr schnell, ohne einen nennenswerten Widerstand zu spüren. Am Maschendrahtzaun des Basketballplatzes hielt er an. Wie nicht anders zu erwarten, war
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